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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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saß draußen im Wagen und wirkte sehr zufrieden mit sich selbst, wie eine Katze, die ein Schälchen Sahne bekommen hat. Als ich ihn sah, bin ich augenblicklich stehen geblieben, starr vor Entsetzen.
    Wim wollte sich in Gobowen am Bahnhof mit mir treffen. Ich konnte ihn unmöglich erreichen, um ihm zu sagen, was passiert war. Wenn ich nicht dort hinging, würde ich ihn erst nach den Ferien wiedersehen. Er würde glauben, ich hätte Schluss gemacht, und das am Valentinstag!
    Die Alternative war, Daniel von Wim zu erzählen. Darüber dachte ich nach, als ich ins Auto einstieg. Das Problem war nur, dass ich ihn bisher noch mit keinem Wort erwähnt hatte, denn meine Briefe an Daniel drehten sich ausschließlich um Bücher. Es war eine scheußliche Situation. Ich konnte Daniel wohl kaum bitten, unverrichteter Dinge nach Hause zu fahren, was mir aber echt lieber gewesen wäre.
    »Ich konnte mir kurzfristig freinehmen«, sagte Daniel. »Wir können gerne wieder zum Chinesen gehen.«
    »Das ist nett, aber ...«, sagte ich und hielt inne.
    »Aber was?«, fragte er, ließ den Motor an und fuhr die Einfahrt hinunter und zwischen den beiden abgestorbenen Ulmen hindurch, die jetzt noch viel furchtbarer aussahen, denn die anderen Bäume bekamen bereits Blätter. »Ich dachte, du würdest dich freuen.« Er klang wirklich betroffen.
    »Ich bin mit einem Freund in Gobowen am Bahnhof verabredet«, sagte ich. »Meinst du, wir könnten dorthin fahren und ihn mitnehmen?«
    Daniels Gesicht wurde seltsam ausdruckslos, und dann lächelte er. »Natürlich«, sagte er und wendete. Zum Glück war die Straße verlassen.
    Jetzt konnte ich ihn unmöglich darum bitten, vorher noch bei dem Buchladen vorbeizufahren.
    »Ist das dein Freund oder nur ein Freund?«, fragte er.
    »Na ja, so was wie mein Freund. Sehr sogar.« Vor lauter Verlegenheit hatte ich einen Knoten in der Zunge.
    »Magst du mir nichts über ihn erzählen?« Daniel klang ermutigend, aber auch ein wenig verwirrt.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Er heißt Wim. Ich habe ihn beim Buchclub kennengelernt. Er ist siebzehn, und er mag Delany und Zelazny. Er geht aufs College und hat Englisch, Geschichte und Chemie belegt, und er arbeitet nebenher. Ich hab mir überlegt, dass ich das nächstes Jahr auch so machen kann, falls es nötig ist.«
    »Warum sollte das nötig sein?«, fragte Daniel.
    »Ich werde im Juni sechzehn, und dann musst du nicht mehr für mich aufkommen. Ich könnte für mich alleine leben.«
    »Ich werde so lange für dich aufkommen, bis du deine Ausbildung abgeschlossen hast«, sagte Daniel, der Tore in der Wüste und Die Zahl des Tiers nicht gelesen hatte.
    »Wusstest du, dass es einen neuen Heinlein gibt?«, fragte ich.
    »Das hast du mir am Sonntag erzählt. Ich freue mich darauf, selbst wenn es nicht sein bestes Buch ist.«
    Kurz darauf waren wir am Bahnhof Gobowen. Er lag völlig verlassen da. Dieses eine Mal war ich vor Wim dort, weil er mich auf der anderen Seite des Gebäudes erwartete und ich mit dem Auto gekommen war anstatt mit dem Bus. »Er ist bestimmt bald da, er kommt immer zu früh«, sagte ich. Daniel parkte auf dem Vorplatz.
    »Wie lange geht ihr schon miteinander?«, wollte er wissen.
    Ich zählte zusammen. »Fast zwei Wochen.«
    Immerhin, Daniel sagte nicht, dass ich ihm das doch hätte erzählen müssen oder dass ich zu jung war oder irgendetwas in der Art. »Noch eine neue Rolle«, sagte er stattdessen, und er lächelte. »Ich bin furchtbar nervös.«
    »Was meinst du, wie ich mich fühle?«, entgegnete ich.
    Er lachte, und in dem Moment kam Wim im Leerlauf auf den Vorplatz des Bahnhofs gerast, das Gesicht von seinen langen Haaren umweht. »Ist er das?«, fragte Daniel.
    »Ja«, antwortete ich mit mehr Stolz, als mir zustand. Ich stieg aus dem Wagen, dem Wim keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Er ist kein besonders aufmerksamer Mensch.
    Daniel stieg ebenfalls aus. »Das Fahrrad können wir in den Kofferraum legen«, sagte er.
    »Warte bitte hier, bis ich ihm alles erklärt habe«, sagte ich.
    Ich stapfte zu Wim hinüber. Daniel lehnte sich an den Wagen, rauchte eine Zigarette und schaute mir nach. Wim sah mich, sah den Bentley und sah meinen Vater – und zählte zwei und zwei zusammen. »Wim, mein Vater ist völlig unerwartet aufgekreuzt, um mich zur Akupunktur zu bringen. Ich wusste wirklich nichts davon. Willst du mit uns nach Shrewsbury kommen, im Auto?«
    Er wirkte wie vom Donner gerührt. »Im Auto? Mit deinem Dad?«
    »Er hat nichts

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