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In einer anderen Welt (German Edition)

In einer anderen Welt (German Edition)

Titel: In einer anderen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Walton
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hing ein Rollo in einer passenden Farbe. Auf einem klitzekleinen Nachttisch stand eine riesige schwarze Büroschreibmaschine.
    »Hast du das alles selbst gemacht?«, fragte ich.
    »Ja klar«, sagte sie und setzte sich auf das Bett. Hugh nahm den Stuhl, und nach kurzem Zögern setzte ich mich neben Janine. »Beim Streichen hat mir Papa geholfen, aber die Idee war von mir. Ich wollte mal was anderes.«
    »Ich wünschte, ich hätte ein solches Zimmer«, sagte ich. Und das stimmt, wenn auch vielleicht kein grünes. Am liebsten hätte ich ein holzvertäfeltes Arbeitszimmer wie das von Daniel.
    »Es ist angenehm, wenn man eine Tür zumachen kann«, sagte Janine.
    »Das glaub ich gerne«, sagte ich.
    »Schläfst du in einem Schlafsaal?«, fragte sie.
    »Ja, aber bei uns gibt es kein Mitternachtsfestessen oder sonst irgendetwas Tolles, worüber man immer liest.«
    »Ich teile mir ein Zimmer mit meinem Bruder«, sagte Hugh.
    »Was macht er so?«
    »Er ist Manchester-Fan. Seine Hälfte des Zimmers besteht nur aus Fußball, meine nur aus Büchern.« Hugh schien darüber nur sehr ungern zu reden.
    Janine sprang auf und holte mir Wintersonnenwende aus dem Regal, und dann fingen die beiden an sich zu kabbeln, ob ich die ganze Serie lesen sollte, oder ob ich nach dem ersten Band die Lust verlieren würde, weil er ziemlich kindisch ist. Offenbar glaubte Hugh nicht, dass ich bis Dienstagabend fünf Bücher lesen konnte.
    »Das krieg ich schon hin«, sagte ich. »Außer Unterricht und Lesen hab ich nicht viel zu tun. In Arlinghurst wird Sport ganz großgeschrieben, und da kann ich natürlich nicht mitmachen. Also verbringe ich die meiste Zeit in der Bibliothek und lese, normalerweise ein paar Stunden täglich. Diese Woche etwas weniger, wegen der Klassenarbeiten, aber die sind jetzt rum.«
    »Ziemlich beschränkt von deinen Eltern, dich unter diesen Umständen dahin zu schicken«, sagte Hugh.
    »Ja, das ist wohl wahr.«
    »Was ist denn mit deinem Bein?«, fragte er.
    Normalerweise ist mir diese Frage zuwider, aber so, wie er sie stellte – als wäre nichts dabei, darüber zu reden, und als wäre es auch gar nicht so wichtig, in etwa so, wie Janine gefragt hatte, ob ich in einem Schlafsaal schlafe –, machte es mir nichts aus. »Ein Auto hat mich angefahren«, sagte ich. »Dabei ist meine Hüfte zerquetscht worden und mein Becken. Inzwischen ist es nicht mehr so schlimm. Es tut nicht mehr die ganze Zeit weh.«
    »Wird es wieder besser?«, fragte Hugh.
    Ich hätte Nein sagen sollen, wird es nicht, entweder das, oder dass ich hoffte, es würde besser werden, aber mir schossen Tränen in die Augen, ohne dass es einen Grund dafür gegeben hätte, und ich verbarg mein Gesicht in einem Taschentuch. Janine wechselte das Thema, und dann war es Zeit für mich zu gehen.
    Hugh begleitete mich zur Bushaltestelle; er trug immer noch die Bibliotheksbücher. Ich trug meine Einkäufe und die Susan-Cooper-Bücher, die ich mir von Janine geliehen hatte.
    »Wegen Wim«, sagte er, als wir bei KwikSave um die Ecke bogen.
    Ich sah ihn fragend an. Mein Bein schmerzte – Janines Bett war niedrig gewesen, und als ich aufgestanden war, hatte ich es zu sehr belastet.
    »Wir wissen nicht, was passiert ist. Wim hat nie ein Wort darüber verloren, nicht ein einziges. Das hier ist ein kleiner Ort, und die Leute haben ihr Urteil über ihn gefällt. Schon seltsam, wie schnell das geht. Wenn man erst einmal einen schlechten Ruf hat, kann man sich genauso gut einen Strick nehmen. Er ist von der Schule geflogen, weißt du.«
    »Ich weiß. Er macht nebenher seinen Abschluss. Janine hat mir davon erzählt.«
    »Janine. Janine ist der Meinung, als gute Feministin müsste man immer der Frau glauben. Aber ich finde, man sollte möglichst jeden gleich behandeln. Ich weiß nicht, was passiert ist. Aber ich weiß, dass ich es nicht weiß. Und ich weiß, dass Wim sich das Leben deswegen viel schwerer macht.« Hugh wirkte furchtbar ernst. Er ist kleiner als ich und ein bisschen füllig, und er hat Sommersprossen, sodass man ihn leicht für einen kleinen Jungen und für einen Clown hält, aber so ist er gar nicht.
    »Warum kümmert dich das alles überhaupt?«, fragte ich. Wir hatten die Bushaltestelle erreicht, aber der Bus war noch nicht da. Ein ganzer Haufen Mädchen aus Arlinghurst wartete bereits. Hugh hockte sich auf eine Mauer, und ich setzte mich neben ihn.
    »Wim hat mir das Leben gerettet«, sagte er leise. »Na ja, zumindest hat er dafür gesorgt, dass ich nicht den

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