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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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die luxuriöse
    Ausschmückung eines Raumes bereits im einzelnen
    angeordnet, über dessen praktische Bestimmung er
    sich durchaus noch nicht klar war. Seine beiden Kin-
    der ließen ihn in den meisten Fällen gern gewähren.
    Es war ihnen beiden ein süßes Gefühl, sich bei jeder
    Gelegenheit sagen zu lassen: »Das da ist etwas sehr
    Passendes für euch.« Es hatte etwas davon, als wür-
    den sie durch ein Paradies geführt, das Gott für sie
    geschaffen; sie fanden alles fertig vor, und alles war
    für sie.
    Auch waren sie damit einverstanden, als Herr v.
    Grubeck ihnen eines Tages einen Besuch der Gemäl-
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    deausstellung – es war eine soeben eröffnete Aqua-
    rell- und Pastellausstellung – vorschlug, da doch die
    Auswahl einiger Bilder unumgänglich nötig sei.
    Dann war es wie immer, so auch hier staunenswert,
    wie rasch und mühelos sich das Auge eines jeden in
    der Menge der ausgestellten Kunstwerke zurecht-
    fand, um nach flüchtigem Vorbeigleiten an dem mei-
    sten eben auf dem haften zu bleiben, was den eigen-
    tümlichen Bedürfnissen der Seele entsprach. So war
    nach einem kurzen Rundgang durch die verschiede-
    nen Räume Wellkamp an den Eingang des Haupt-
    saales zurückgekehrt, wo er sich in ein Gemälde Ga-
    briel Max’ vertiefte, dessen vergeistigte und doch so
    sinnlich wirksame Art in der blassen und zarten
    Ausführung des Pastells in erhöhtem Maße zur Gel-
    tung gelangte.
    Inzwischen verweilte Anna vor einigen italieni-
    schen Aquarellen, Scenerien vom Canalo grande
    oder vom genuesischen Golfe. Über den bunten und
    heiteren Farben schien die geheime Melancholie des
    bloß vegetierenden Lebens zu liegen, indes nur wie
    ein ungewisser Duft und jedenfalls mehr gefühlt als
    gesehen. Dann wurden beide junge Leute von dem
    Major an den Platz geholt, den er eingenommen
    hatte, »um seine Studien zu machen«, wie er sagte.
    Es waren die Dessins von Illustrationen der »Flie-
    genden Blätter«, und auch die beiden andern mußten
    die feine und anmutige Koketterie dieser Tusch- und
    Federzeichnungen bewundern. Der Major behaup-
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    tete, nirgends für seine eigene Kunstübung so viel
    lernen zu können, wie an diesen scheinbar leicht hin-
    geworfenen Skizzen, die für ihn technische Offenba-
    rungen enthielten. Wellkamp und Anna gingen leb-
    haft interessiert auf die Bemerkungen des alten
    Herrn ein, auch erwähnten sie sodann die Stücke der
    Ausstellung, welche sie selbst besonders gefesselt.
    Aber weder er noch sie ließen sich näher über die Art
    des Genusses, den sie ihnen gewährt, aus. Anna
    mochte wohl zu der Zahl der feiner gebildeten Be-
    schauer gehören, denen es widerstrebt, ihre Empfin-
    dungen vor einem Kunstwerke in die dem großen
    Publikum geläufigen Urteile und Ausrufe zu klei-
    den, während ihnen zugleich der echte und per-
    sönliche Ausdruck dafür versagt ist. Wellkamp sei-
    nerseits hätte sich niemals entschließen können, die
    tiefen seelischen Erregungen, welche ihm zuweilen
    ein Kunstgenuß verschaffte, durch eine Aussprache,
    zumal in den Augenblicken wo er sie empfing, preis-
    zugeben. Er hätte dies als eine Entweihung angese-
    hen, so sehr hatte er sich, trotz seines abnutzenden
    äußeren und inneren Entwicklungsganges – oder
    aber gerade wegen desselben – in dieser Hinsicht
    eine empfindliche seelische Keuschheit bewahrt.
    Man mußte schließlich, da die Zeit des Diners ge-
    kommen war, aufbrechen. Während der Major von
    seinen Lieblingen Abschied nahm, hatte Wellkamp,
    der sich bereits zum gehen gewandt, unweit jener
    Skizzen, die ihn bisher von dem übrigen Inhalt des
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    Saales abgehalten, ein Bild entdeckt, das im gleichen
    Augenblicke seine volle Aufmerksamkeit in An-
    spruch nahm. Dies geschah sogar in der Weise, daß
    er mit unwillkürlich weiter geöffneten Augen und
    mit einer seltsamen Spannung seines Empfindens,
    welche sich nach und nach zu einem förmlichen
    Grauen steigerte, an das Gemälde herantrat. Diese
    Wirkung konnte wohl durch den absonderlichen
    Stoff, welcher hier behandelt war, hervorgebracht
    werden, sie war es aber sicherlich noch weit mehr
    durch die das in jenem vorhandene Unheimliche
    noch steigernde Auffassung des Künstlers. Vor einer
    elenden Bauernkate, deren schmutzig braune Um-
    risse kaum durch den dichten, alles einhüllenden
    Nebel hindurchdrangen, stand ein Weib, das mit
    einer Miene namenlosen Entsetzens vor sich in die
    dicke graubraune Luft hineinstarrte. In derselben
    zeigte ihr »das zweite Gesicht« die

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