In einer Familie
solchen Ver-
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hältnissen die andere Natur, das Gattungswesen. So
kam es auch, daß das ursprüngliche Weib in Dora
einen stillen aber heftigen Haß unterhielt gegen die
erste Gattin des Mannes, an dem sie doch ihrer eige-
nen Meinung nach nicht genügend Interesse nahm,
um eifersüchtig auf jene zu sein, die er geliebt. Den
der Verstorbenen zugedachten Haß hatte sie alsbald
in doppelter Härte auf das überlebende Kind dersel-
ben übertragen, wobei es besonders ins Gewicht ge-
fallen, daß dieses ein Mädchen war. Die durchgän-
gige Verschiedenheit der Natur, welche zwischen
Mann und Frau zur Ergänzung führen kann, mußte
hier ein wechselseitiges Abstoßen bewirken. Doras
ganzes Wesen hatte sich von Anfang an feindlich zu-
sammengezogen bei der Berührung mit diesem
Mädchencharakter, dessen harmonische Ruhe sie
nicht begriff und, vielleicht durch einen geheimen
Neid, wie eine persönliche Beleidigung empfand.
Trotz der unausgesetzten Rivalität der beiden
Frauen war es indes zwischen ihnen nie zur offenen
Aussprache gekommen. Man ging sich meist schwei-
gend aus dem Wege. Anna, die ihrerseits ganz die
gleiche instinktive Feindseligkeit seit der ersten Be-
gegnung empfunden hatte, war dabei zu sehr an
Überlegung und gerechtes Abwägen gewöhnt, um
ihren absprechenden Trieb gegen ein ihr fremdes
Geschöpf nicht wenigstens äußerlich zu besiegen.
Dagegen fühlte Dora sich unsicher und ratlos vor
der überlegenen Ruhe und Offenheit der Gegnerin,
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dahinter sie geheime Listen suchen zu müssen
glaubte. Nichtsdestoweniger hatte sich in dem stil en
und erbitterten Kampfe, der zwischen den beiden
Frauen geführt ward, zumal Dora daran gewöhnt, al
ihr Thun und Lassen mit Hinsicht auf die Wirkung
einzurichten, welche es auf die Rivalin hervorbrin-
gen mußte. Es war, als ob ihr die Berechnung, mit
der sie durch ihr ganzes Sein und Gebahren die Sym-
pathien des jungen Mädchens verletzte, einen Teil
der Befriedigung ersetzen mußte, die ihr sonst das
überlegte Spiel zwischen den Geschlechtern gewährt
hatte.
So hatte sie denn die Nachricht von Annas Verlo-
bung mit sonderbar zusammengesetzten Empfin-
dungen aufgenommen. Während sie sich einerseits
durch die Entfernung eines fortwährenden Anreizes
ihrer Kampflust nahezu beraubt vorkam, war es ihr
doch angenehm, die Gegnerin zur Ehe bestimmt zu
wissen, in welcher sie, die nie über ihre eigene Natur
und über ihre persönlichen Erfahrungen hinaus-
dachte, stets nur Leiden und Disharmonie erblickte.
Solche Überlegung war es, auf welche die einsame
Frau auch an diesem Morgen zurückkam, als sie in
der Stille ihres Zimmers die Bedeutung der vorher-
gegangenen Unterredung durchdachte. Sie sagte
sich, daß die Wirkung ihrer Feindschaft wohl im
stande sein werde, die Verhaßte auch in die Ehe zu
verfolgen. Und doch mischte sich in das Lächeln des
Triumphes, das auf der Miene der noch immer re-
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gungslos Dasitzenden erschien, ein Schatten von
Zaghaftigkeit, als einen Augenblick als klares Bild
die Möglichkeit vor ihr auftauchte, wie. Gleich dar-
auf hatte sie den Gedanken von sich geschoben und
mit ihm die Ängstlichkeit, die er ihr verursacht,
und die sich an das unvermutet mit erschreckender
Deutlichkeit vor ihr erscheinende Bild Wellkamps
geknüpft hatte. Sie wiederholte sich, daß der In-
stinkt, der sie in der vergangenen Stunde bei ihrem
Eingreifen in die Pläne des jungen Paares geleitet,
ausschließlich derjenige der Feindseligkeit gegen
Anna gewesen sei. Sie betonte dies mit der Hartnäk-
kigkeit, mit der wir bei solchen Gelegenheiten uns
selbst belügen können, indem wir unser Verhältnis
zu den Interessen eines andern in den Vordergrund
stellen, um uns zu verschweigen, daß wir uns selbst
mit im Spiele befinden, mit unsern eigensten Inter-
essen und Wünschen.
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III
Es war schließlich schwieriger, als man anfangs an-
genommen hatte, in den vier Wochen, die ursprüng-
lich nur noch für den Brautstand bestimmt waren,
alles Erforderliche zu beschaffen. Die jungen Leute
wurden auf ihren Wegen in der Stadt, denen sie zu-
meist den ganzen Morgen und nicht selten einen Teil
des Nachmittags widmeten, fast immer von dem
Major begleitet. Nun war der alte Herr ein recht ge-
schmackvoller Berater bei der Wahl der Einkäufe,
nur daß er über seinen Kunstliebhabereien etwas zu
sehr die ersten Bedürfnisse des künftigen Haushaltes
vernachlässigte. So kam es vor, daß er
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