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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Gestalt eines
    Mannes in bäurischer Tracht, jedenfal s ihres Gatten
    – vielleicht als eine Mahnung des Verstorbenen, viel-
    leicht als Todesahnung. Die Figur hob sich nicht
    eigentlich in der Art einer Geistererscheinung von
    dem Nebel ab, sie schien vielmehr ein Gebilde die-
    ser Luft selbst und nicht aus ihr herauszulösen. Es
    wurde hierdurch beim Beschauer der Eindruck be-
    wirkt, die Luft, sowie die ganze Natur, welche sie
    ausfüllte, und das ganze Leben in dieser Natur ver-
    gespenstigt zu sehen. Das Ganze erschien spirituell
    und unkörperlich, und es mußte fast unbegreiflich
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    dünken, wie dies mit den sinnenfälligen Mitteln der
    Malerei hatte erreicht werden können: auch dies
    mochte zu jener ersten starken Wirkung, die das
    Gemälde auf Wellkamp gemacht, beigetragen ha-
    ben.
    Letzterem blieben zur Betrachtung nur wenige
    Minuten, aber die seltsame Eindringlichkeit des Ge-
    schauten hatte ihn für den Heimweg schweigsam
    und nachdenklich gemacht. Während man im Bou-
    doir Frau v. Grubecks die Meldung, daß angerichtet
    sei, erwartete, berichtete der Major seiner Gattin von
    der Ausstellung. Seine Stimme bekam, wenn er von
    der von ihm bevorzugten Kunst sprach, jedesmal
    eine wärmere und fast jugendliche Klangfarbe. Er
    redete sich auch diesmal so in Feuer, daß er schließ-
    lich Dora zu einem Besuch der Ausstellung auffor-
    derte, wiewohl er wissen konnte, wie vergeblich es
    war, sie zu einer Wanderung durch sechs oder acht
    Säle veranlassen zu wollen. Der Major liebte die Ma-
    lerei mit einer scheinbar ganz aus seinen übrigen see-
    lischen Dispositionen herausfallenden Inbrunst, mit
    der alternde und unter der Erkaltung ihres Lebens
    leidende Menschen sich an die Heiterkeit, die
    Wärme und Fülle der Kunst klammern können, die
    ihnen ein neues und letztes Sinnbild gewährt.
    Eben als sie in das Speisezimmer – ein dunkel ge-
    täfeltes Gemach, in dem ein einfallendes Licht den
    darunter stehenden Tisch zweckmäßig beleuchtete –
    hinübergingen, fragte der alte Herr seinen Schwie-
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    gersohn nach dem, was diesen in seinen Gedanken
    noch immer beschäftigte.
    »Was war denn das eigentlich, wovor Sie ganz zu-
    letzt stehen geblieben waren, es schien Sie sehr zu in-
    teressieren. Ich bin nicht mehr dazu gekommen, es
    mir anzusehen. – Übrigens müssen wir ja ohnedies
    noch einmal hin, wenn wir bei unserem Vorsatz blei-
    ben, uns etwas zum Ankauf auszusuchen.«
    Während man sich zu Tische niederließ, hatte der
    Angeredete die Absicht, seine Antwort in der augen-
    blicklichen Gesprächspause verschwinden zu lassen
    und auf einen andern Gegenstand überzuleiten.
    Doch verspürte er plötzlich die Lust, zu sehen, wel-
    chen Eindruck die Beschreibung jenes eigenartigen
    Bildes auf Andere hervorbringen würde. Er meinte
    dabei besonders an Anna zu denken – dennoch glitt
    sein Blick, wie er nun mit Worten, die ihm durch
    eine lebendige, greifbare Vorstellung eingegeben
    wurden, die Schilderung jenes »Zweiten Gesichtes«
    gab, unvermerkt zu Dora hinüber. Und während er
    noch sprach, konnte er, mit einer seltsam neugieri-
    gen und widerwillig freudigen Empfindung, die un-
    endlich nervöse Wirkung, welche er dem Gegen-
    stande seiner Schilderung zuschrieb, auf dem Ge-
    sichte der jungen Frau wahrnehmen. Wie noch vor
    wenig mehr als einer halben Stunde die seinigen, so
    öffneten sich nun, unvermutet rasch, wie vor einer
    das ganze Wesen eines Menschen tiefinnerlich be-
    rührenden Überraschung, ihre Augen und ließen
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    Wellkamp zum erstenmale eine eigentümlich was-
    serhelle Iris sehen, unter welcher in diesem Augen-
    blicke aus einer rätselhaften dunkeln Tiefe des
    Auges hervor winzige goldglänzende Funken zu
    sprühen schienen. Es war eine Wahrnehmung von
    wenigen Sekunden, dann sanken die breiten Augen-
    lider wieder herab, und zugleich mußte Wellkamp
    sich der andern Seite zuwenden, da Anna ihn, zum
    ersten Male seit ihrer Rückkehr von der Ausstellung,
    anredete.
    »Es mag sehr gut gemacht sein«, sagte das junge
    Mädchen in auffällig kurzem und entschiedenen
    Tone, »aber ich meine, daß die Kunst besser daran
    thäte, sich nicht mit der Pflege derartig romantischer
    Empfindungen abzugeben, die für unsere Zeit nicht
    nur überfällig, sondern hinderlich sind.«
    »Aber ich denke«, erwiderte Wellkamp, der in der
    Überraschung bei der energischen Stellungnahme
    seiner Braut seine eigene, sonst beobachtete Vorsicht
    in der Äußerung Widerspruch erregender Meinun-
    gen

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