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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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charakteristischen Duftes,
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    den so viele aneinandergedrängte Frauenkörper und
    ihre Toiletten, die parfümierten Barte der Herren
    und ihre an den Rock gehefteten Blumen ausatme-
    ten.
    »Diese laxe Moral«, bemerkte Anna, draußen in
    der frischen Luft aufatmend, »braucht man wirklich
    nicht mehr von der Bühne zu predigen. Sie ist ohne-
    dies üblich genug.«
    »Wie meinst Du? Ich muß sagen, daß ich mich
    schrecklich gelangweilt habe. Mir war die Wohlan-
    ständigkeit etwas zu groß für ein Stück, das keinen
    tieferen Reiz besitzt.«
    Die Oper besuchten sie selten. Anna verstand es
    wenig, Musik zu genießen. Sie kannte durchaus
    nichts von der Hingabe an eine Phantasie und Emp-
    findung anregende und auch wohl aufreizende Mu-
    sik. So konnte ihr die Mehrzahl der in Opern ge-
    hörten Vokal- und Orchesterkompositionen nichts
    sagen. Doch fand sie Geschmack an einer gewissen
    schwereren Gattung von Konzertmusik; vor allem
    liebte sie Beethoven. Die Art ihres Musikgenusses
    bestand vorzugsweise darin, die Tonreihen zu ver-
    folgen, ihre Wiederkehr und ihre Abstufung, gleich-
    sam ihre Logik zu studieren, wodurch auch hier wie-
    der ihr Vergnügen ein mehr geistiges wurde, als man
    im allgemeinen aus der Musik zu schöpfen pflegt.
    Im ganzen war die Art, wie die junge Frau sich zu
    Leben und Tod stel te, sicherlich sehr verständig und
    hatte hier und da selbst einen leisen Beigeschmack
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    von Trockenheit. Durch diese ihre Art wurde auch
    das Verhältnis zu ihrem Gatten mit bestimmt. In ih-
    rer ruhigen, liebevol en Hingabe an ihn, die sich vom
    ersten Tage an gleich geblieben, war wenig von dem
    mehr nervösen Verständnis für leisere und unmerk-
    lichere Augenblicksempfindungen enthalten, denen
    er seinerseits so leicht zugänglich war.
    Gelegentlich teilte er sie ihr indes mit. Auf ihren
    häufigen Spaziergängen im Tiergarten waren sie
    einmal stehen geblieben, um den Schlittschuhläu-
    fern zuzusehen. Sie verfolgten mit den Blicken das
    flinke, gleitende Durcheinander der graziösen Ge-
    stalten und kleidsamen Sporttrachten und das La-
    chen auf all den frisch geröteten Gesichtern. Das
    Bild, in die dünne, klare Winterluft gestellt und in
    der blendenden Eisfläche gespiegelt, war fast zu
    scharf für die Augen, die den Atemhauch, der um
    alle Köpfe wehte, als eine wohlthuende Milderung
    empfanden.
    Wellkamp deutete auf die schneebeladenen Bü-
    sche und Bäume ringsumher.
    »Die Sonne bricht durch«, sagte er. »Sieh, wie sie
    auf den Zweigen ganz denselben spitzen, kurzen
    Glanz hervorbringt wie dort auf den Säbelscheiden
    der Offiziere.«
    »Wirklich!« stimmte Anna bei.
    »Sie macht alles nur noch kälter. Aber wenn man
    in all die Kälte mit unsern Augen hineinsieht – mir
    wird innerlich nur noch wärmer. Was meinst Du?
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    Zwei Herzen vermögen eine ganze Landschaft zu
    erwärmen.«
    Er hatte die Hand, die Anna unter seinen Arm ge-
    schoben, in die seine genommen. Die junge Frau sah
    bei dieser Berührung auf mit einem Blick, in dem
    dieselben warmen Schauer erzitterten, wie in dem
    Ton seiner Worte. Sie gingen, für beide fühlbar, aus
    seinem Körper in den ihren hinüber.
    Wellkamps Liebe hatte während des Berliner Auf-
    enthaltes den Zusatz einer Sentimentalität erhalten,
    die ihm ehemals unter al en Umständen fremd gewe-
    sen war. Diese Erscheinung mochte zum Teil an den
    Umständen des jetzigen Verhältnisses liegen, die von
    denen seiner früheren, flüchtigen Abenteuer so völ-
    lig verschieden waren. Das Gefühl von jetzt konnte
    seiner Natur nach nichts von jenem übermütigen
    oder leidenschaftlichen, immer aber gedankenlosen
    Für-den-Augenblick-leben haben. Jedenfalls mußte
    dies bald hinter die ruhigeren, auf die Zukunft be-
    dachtsamen Bestandteile der ehelichen Empfindun-
    gen zurücktreten. Aber es trug zu jener neuen Rege-
    lung ebensosehr etwas anderes bei, das von außen
    her auf den zunächst durch die Art ihrer Beziehun-
    gen gestimmten Seelenzustand einwirkte. Es lag in
    der Luft und war kaum näher zu erklären denn als
    die Verlockung zu einer weicheren, mehr schwärme-
    rischen Hingabe, die sich dann am ehesten einstel te,
    wenn das geräuschvolle, gefühllose und auch wohl
    brutale Straßenleben sie am heftigsten umbrandete.
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    Es war die seltsame Sentimentalität der Großstadt-
    liebe, in welcher so viel von einer süßen Melancholie
    des Fremd- und Alleinseins liegt. Wie sehr fühlte
    man sich mit den sanften Geheimnissen seiner Seele
    verschieden

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