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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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was jedes von
    ihnen sagen will.
    Der Wagen stand vor der Thüre, und der Major
    mahnte zum Aufbruch. Er geleitete seine beiden
    Kinder zur Bahn.
    Dora blickte dem eleganten Gefährt nach, das
    lautlos über eine ganz leichte, al ererste Schneedecke
    rollte. Sie stand, das Spitzentuch in ihrer blassen
    Hand ein wenig zusammengedrückt, am Fenster.
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    V
    Für die Übergangszeit, welche die Reise des jungen
    Paares bildete, war keine bestimmte Dauer in Aus-
    sicht genommen, jedenfalls mußte sie aber verlän-
    gert werden, bis Herr und Frau Wellkamp ihre neue,
    inzwischen unter Oberaufsicht des Majors her-
    zurichtende Wohnung beziehen konnten. Von dem
    gemächlichen Umherwandern, an welches Anna ge-
    dacht, hatte man in Anbetracht der ungünstigen Jah-
    reszeit am Ende doch Abstand genommen und auf
    Herrn v. Grubecks Vorschlag einen Aufenthalt in
    Berlin beschlossen. Besonders Wellkamp hatte die-
    sen Plan schnell erfaßt. Die nächste Großstadt er-
    schien ihm das rechte, und in ihrem lautesten und
    fremdesten Trubel das Leben für zwei Zusammen-
    gehörige am ungestörtesten. Und wie viele wech-
    selnde Eindrücke würden sie sich nicht mitzuteilen
    haben in diesem Berliner Treiben, dem jeder von
    ihnen, da er es nicht zum erstenmal sah, seine be-
    sonderen Neigungen und Neugierden entgegen-
    brachte. Für Anna, die ihre ganze Kindheit hier ver-
    lebt, war es eine wehmütiglockende Aussicht, an den
    bekannten Plätzen das Andenken ihrer Mutter her-
    vorzurufen, gleichsam der Erinnerung an ihre Kin-
    derfreuden, die dort für sie in der Luft lag, nun ihr
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    Frauenglück vorzuführen – und beide in einem zu
    genießen.
    Wellkamp brachte im Gegenteil der Stadt, die für
    ihn vor allem der Schauplatz eines starken Leides
    war, eine Art von Trotz entgegen. Jeder Ort, den er
    berührt, mochte er ihn im übrigen bisweilen nahezu
    vergessen haben, pflegte ihm ein deutliches Anden-
    ken an die Stimmung zu hinterlassen, mit welcher er
    an ihm verweilt, so daß er ihn am Ende nur noch
    durch den Schleier solcher persönlichen Erinnerung
    sah. So wurde ihm sein jetziger froher und hoff-
    nungsreicher Einzug in Berlin gleichsam zu einem
    Triumph über die traurigen Erfahrungen, die er hier
    während seines letzten Aufenthaltes durchlebt.
    Um so inniger ergriff ihn gerade jetzt der Zauber
    von Annas Herzensreife, die stets durch die häufig
    so jugendlich einseitigen Äußerungen ihres Verstan-
    des hindurch fühlbar wurde. Er betrachtete es als ein
    Glück, keiner ganz naiven Frau das großstädtische
    Treiben erläutern zu müssen. Es vermehrte ihre In-
    timität noch um das Gefühl wohliger Kamerad-
    schaft, wenn er die Sicherheit bemerkte, mit der sie
    sich in der fremden, nicht mehr gewohnten Umge-
    bung bewegte. Sie brachte allem Neuen ihre ruhige,
    in ihrer Selbstsicherheit wurzelnde Urteilskraft ent-
    gegen. Sie empfing weniger leicht und weniger fein
    unterschiedene geistige Eindrücke als er, aber sie
    durchlebte das einmal Aufgenommene gründlicher
    und bewahrte es besser. Ihre Betrachtungsweise war,
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    ohne darum innerlich teilnahmslos und fischblütig
    zu sein, immer weniger auf das Bildliche, Sinnenfäl-
    lige einer Sache als auf ihren Ideengehalt gerichtet.
    Dies zeigte sich besonders im Theater, wo sie mit
    Vorliebe ihre Abende verbrachten. Verrät sich doch
    hier, ganz wie auf der Bühne das Leben zusammen-
    gezogen und in eine starke Essenz verarbeitet er-
    scheint, auch im Zuschauerraum so viel rascher und
    stärker als anderswo die Verschiedenheit der Anla-
    gen; der Bildung und des Geschmacks. Sie verriet
    sich etwa im Zwischenakte eines lustigen Pariser
    Stückes, während des ungewissen, summenden Ge-
    räusches, das aus dem Plaudern und Lachen des
    ganzen Saales, aus dem Klappen der Sessel, dem
    Schließen der Logenthüren, dem Gehen und Kom-
    men zusammengesetzt war. Eine kleine nachlässige
    Bemerkung, über den Fächer hinweg und das Glas
    auf die gegenüberliegende Loge gerichtet, zeigte sie.
    »Sehr unterhaltend«, sagte Wellkamp. »Ein Feuer-
    werk von guten Worten. Aber ist es nicht doch etwas
    zu frivol? Man muß nicht egoistisch sein; ich be-
    dauere vielleicht doch, Dich hergeführt zu haben.«
    »Aber nein«, erwiderte die junge Frau eifrig; »die
    Frage, die zu Grunde liegt, interessiert mich aufrich-
    tig. Das hat ja viel größere Bedeutung als man
    meint.«
    Ein anderes Mal war es, als man sich zum Ausgang
    den engen Wandelgang entlang schob, inmitten des
    hin- und herwehenden

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