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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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volles
    Licht hindurchließen, das, vom Spiegel reflektiert,
    über den leichten Nackenflaum der am Flügel Sit-
    zenden huschte. Sie hatte leise mit einer Hand zu
    präludieren begonnen, wobei ihre träumenden
    Sinne weniger den abgerissenen, wie zufälligen Tö-
    nen als den Bewegungen ihrer biegsamen Finger
    folgten. Während einiger Augenblicke blieb sie in
    die naive Bewunderung der eigenen Reize versun-
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    ken, die auch wohl raffinierten Frauen nach der Er-
    langung eines Glückes, so groß, daß es fast unbe-
    greiflich erscheint natürlich ist.
    Von dem triumphierenden Glücksgefühl, mit wel-
    chem Dora heute Morgen nach ruhig durchschlafe-
    ner Nacht erwacht war, und das diese ersten Stunden
    – auf wie lange? – ohne Verbitterung blieb, war in
    dem Liede, das sie dann nach den vor ihr stehenden
    Noten anschlug, kaum etwas zu spüren. Dora aber
    sang es mit jener Melancholie des Glücks, die, ver-
    möge der seltsamen Macht des Gegensatzes, uns das
    Lustgefühl doppelt durchkosten läßt. Übrigens
    konnte allen ihren Dispositionen nichts besser ange-
    paßt sein als diese, von einem jungen Komponisten,
    den sie bevorzugte, herrührende Komposition des
    Geibelschen »Die stille Wasserrose«. Sie war ganz
    geeignet, diese weniger in die Tiefe gehende und auf-
    wühlende, als mit sicherem Geschmack eine kompli-
    zierte Empfindlichkeit berührende Musik zu verste-
    hen. Das Charakeristische der Melodie war eine
    auch in augenblicklichen Steigerungen gleichsam re-
    signierte Weichheit und die unmerklich fesselnde
    Monotonie ihrer wellenförmigen Gangart. Gleich
    den wechselnden und sich wieder erneuernden
    Klangfiguren, die in immer neuen Tönen stets den
    selben Gedanken ausdrückten, fluteten die eigenen
    Gedanken der Spielerin, in vagen Wellen, fort ins
    Unendliche, um stets zu dem einen festen Punkt zu-
    rückzukehren.
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    Während sie nach Beendigung des Liedes, die
    Lippen leicht geöffnet und die Hände lässig auf die
    Tasten gelehnt, die wachgerufene Bewegung in sich
    ausklingen ließ, meinte sie, mehr vielleicht durch
    sympathische Ahnung als durch eigentliche Sinnes-
    wahrnehmung, die äußere Thür des Zimmers hinter
    den davorgelegten Portièren sich öffnen zu hören.
    Unter einer süßen Spannung, abzuwarten, sich be-
    lauschen und überraschen zu lassen, begann sie wie-
    derum, und es war abermals Melancholie, aber eine
    sozusagen wirklichere, mehr greifbare, die der
    Komponist in dem »Lied der Ghawâze« des Prinzen
    Schönaich-Carolath behandelt hatte. Statt der un-
    sichern Traumstimmung, die im vorhergehenden
    Stücke geherrscht, fand sich hier das tiefe Auf-
    schluchzen eines Menschenlebens ausgedrückt. Die
    Sängerin war selbst von der wunderlichen Situation
    mehr und mehr hingerissen, so daß die kurzen, ab-
    gerissenen Verse in ihrem Munde eine überra-
    schende Wiedergabe erfuhren.
    »… Falsch meine Liebe,
    Echt nur mein Leid …«
    Sie war selbst erstaunt, einen so ganz von der wahren
    Stimmung durchtränkten Ausdruck zu finden.
    Wirklich war während des Gesanges sogar ihre
    Stimme weicher geworden; sie schien ihre gewöhn-
    liche Härte zugleich mit dem Zwange abgelegt zu
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    haben, der ihr im alltäglichen Verkehr gewohnt war,
    und dessen sie in diesem Augenblicke und unter
    dem Deckmantel, den ihr die fremden Worte verlie-
    hen, nicht bedurfte.
    Der Lauscher hinter dem Vorhange wurde von
    dem intimen Einblick, der ihm so unvermutet in die
    Seele der geliebten Frau eröffnet schien, seltsam und
    tief berührt. Er dachte nicht daran, zu unterschei-
    den, was in dieser Stimmung Wesentliches und Be-
    deutendes, was nur Augenblickliches und paradoxe
    Selbsttäuschung darin sein mochte. Er wurde voll-
    ends überwältigt durch ihre ausdrucksvolle und da-
    bei so schlichte Klage
    »Keiner hat lieb mich
    Auf dieser Welt –«
    dergestalt, daß er mit ziemlich heftiger Bewegung
    hervortrat und den fast schmerzlichen Vorwurf
    nicht zurückhielt:
    »Wie magst Du das aussprechen!«
    Er erstickte den kleinen Schrei, den sie bei seinem
    plötzlichen Erscheinen ausstieß, mit seinen Lippen.
    Da durch den leichten Schreck die eigentümliche
    Spannung der letzten Augenblicke gelöst war, gab
    Dora sich seinen Liebkosungen mit zärtlicher Zu-
    friedenheit hin.
    »Du hast mir mutwillig eine ganze Viertelstunde
    unseres kostbaren Zusammenseins geraubt, Du
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    Horcher an der Thür,« sagte sie. »Was Du gehört
    hast, war nur Deine gerechte Strafe.«
    Sie richtete sich, wie er über sie

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