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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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was sie trennte, und seien sich nur dessen
    bewußt, was sie zusammenhielt, ihrer Liebe.
    Viel später sollte Wellkamp, und niemals ohne
    Herzklopfen, sich dieser friedlichen Augenblicke als
    des einzigen, wehmütigen Glückes erinnern, das ihm
    diese traurige Verbindung geschenkt. Er fragte sich
    dann wohl, ob jene Liebe nicht doch von der Art ge-
    wesen sein müsse, die ein, wenn noch so winziges
    Korn des Heiligen in sich trägt; nur daß dieses, unter
    der unfreundlichen Hand des Schicksals, nicht hatte
    sprießen dürfen. Er hätte es sonst als ein Rätsel emp-
    funden, wie aus dem Untergrunde von Schuld und
    Leiden, auf dem jene Verbindung ruhte, ein Idyll,
    wie dieses, hatte erblühen können.
    186
    VII
    Am nächsten Morgen hatte Dora sich zeitiger erho-
    ben, als es seit Jahren ihre Gewohnheit war. Sobald
    sie Herrn von Grunbeck in seinem Zimmer wußte,
    war auch sie in ihr Boudoir hinübergegangen, und
    ihr Frühstück, bei dem sie sonst eine lange, träume-
    rische Stunde verweilte, war beendet, als drunten die
    aufschlagenden Hufe ihr den Ausritt ihres Gatten
    und Annas ankündigten.
    Das Zimmer, das sie nun sofort aufsuchte, pflegte
    sie bis vor kurzem wenig genug zu betreten, ob-
    wohl es bei der Einrichtung, die sie von Anfang an
    ganz dem Major überlassen, recht eigentlich für sie
    beabsichtigt worden. Herr v. Grubeck hatte, da
    Dora damals in ihrer Brautzeit noch zuweilen vor
    ihm musizierte, eben das Musikzimmer gewählt,
    um einen Raum besonders ganz nach dem Wesen
    und der Eigentümlichkeit der Bewohnerin abzu-
    stimmen. Dora, welche wenig von seinem rein
    künstlerischen Geschmack besaß, hatte das hübsche
    Ergebnis, das ihr Gatte hierin erzielt, kaum zu wür-
    digen gewußt. Der feine Geschmack, der für sie mit
    der Lust am Gefallen ab- und zunahm, hatte in ih-
    ren Interessen erst dann wieder eine über das Ge-
    wöhnliche hinausgehende Rolle zu spielen begon-
    187
    nen, als das Erscheinen Wellkamps der Gleichgiltig-
    keit und Müdigkeit ihres Daseins ein Ende ge-
    macht. Mit dem Auftauchen des Zweckes hatte
    auch der kokette Schönheitssinn von neuem seine
    feinen Blüten getrieben. Die junge Frau lächelte,
    während sie sich langsam am Flügel niederließ, bei
    dem Gedanken an die vielen Morgenstunden, in de-
    nen, so flüchtig sie vielleicht den Geliebten gesehen,
    jedesmal ein neuer kleiner Kunstgriff in ihrer Toi-
    lette ein wenig dazu beigetragen haben mochte, sie
    dem jetzt erreichten Ziele naher zu bringen. Sie er-
    innerte sich, wie ihre frühere zeitweilige Neigung,
    durch Umgehung einer eigentlichen Morgentoilette
    das spätere lästige Umkleiden zu vermeiden, seit
    der ersten Begegnung mit Wellkamp sogleich ver-
    schwunden war. War sie nicht erst seitdem recht des
    Vorzuges inne geworden, den für ihre schlanke und
    diskrete Schönheit ein anspruchsloses, wenngleich
    überlegtes Negligé bedeutete? Für heute indes, für
    den Augenblick, da ihr Glück sich endlich erfüllt,
    hatte sie die Ausführung eines ganz neuen, eigenar-
    tigen Einfalles bestimmt. Schon seit sie in letzter
    Zeit ihre lange vernachlässigten musikalischen
    Übungen wieder aufgenommen, hatte sie bemerkt,
    wie harmonisch alles in diesem Räume sich gleich-
    sam um sie her legte wie die Falten eines auf ihre
    Gestalt zugeschnittenen Gewandes. An diesem
    Morgen nun trug sie das Gewand, dessen Komposi-
    tion ihr auf solche Weise eingegeben war. Gleich
    188
    dem Gemache war es im Empire-Styl ausgeführt,
    der mit seiner vornehmen Gradlinigkeit zur Um-
    rahmung schlanker Glieder erdacht zu sein scheint.
    Dabei wurde eine etwaige Steifheit durch kleine,
    vom modernen Geschmack hinzugethane Extrava-
    ganzen sofort wieder aufgehoben, ebenso wie aus
    den feierlichen Formen ringsumher hier und da eine
    Rokoko-Spielerei hervorsprang in der Art einiger
    hübsch ausgeführten Fresken, musizierende Amo-
    retten darstellend. Die Nüance des Kleides stimmte
    völlig mit der hell-lila Seide überein, in der alles,
    Wand- und Möbelbezüge wie Portièren und Teppi-
    che, gleichmäßig gehalten war. Dora war, als sie sich
    umwendend ihr Bild in dem Pfeilerspiegel zwischen
    den Fenstern begrüßte, selbst erstaunt, wie unüber-
    trefflich die matte und dabei helle Farbe mit ihrem
    durchsichtigen und doch auch im vollen Licht im-
    mer wie beschatteten Teint harmonierte. In ihrem
    halb unbewußten Bedürfnis nach Dämmerung
    schlug sie die Fenstervorhänge übereinander, so daß
    sie nur oben, wo sie auseinanderfielen, etwas

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