In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
Glasgow so früh zu?«
»Ich muss noch arbeiten. Vielleicht ein andermal.« Es freute sie, dass er entrüstet schien. Sie schob die Hände tiefer in die Taschen und ging den Weg entlang zur Trockenmauer.
Sie stiegen über die Mauer, wobei Castiglia ihr half. Er machte ein Zeichen, still zu sein, während sie über das Barochan Moss gingen, den leichten Hang hinunter zum Wäldchen. »Wir müssen jetzt leise sein, sehr leise«, sagte er, kniete sich hin und zog sie zu sich herunter. »Weil wir in diesem Nebel nichts sehen. Dafür können wir hören, wie Ally im Unterholz herumwatschelt. Und dann versuchen wir näher heranzukommen. Ein geisterhafter Umriss im Nebel wäre ein großartiges Bild. Solange wir das Tier nicht erschrecken.«
»Ich dachte, die haben vor nichts Angst?«
»In ihrer natürlichen Umgebung, ja. Aber wir sind hier in Schottland. Im Land der Banditen.« Harrys Gesicht kam Costellos sehr nahe. Er drehte sich um und sah ihr in die Augen, seine Miene gab nichts preis, und einen Moment lang dachte sie, er würde sie küssen. In diesem Augenblick vergaß sie die Kälte, die sie überall spürte. Doch er zog sich zurück, tätschelte ihr den Kopf und zog ihre Mütze noch ein wenig tiefer, ehe er sich erhob und weiterging. »Dem Morgenbericht zufolge war er hier irgendwo in der Nähe und hat eine halbe Tonne Fisch gefressen.«
»Woher wissen Sie das alles?« Costello folgte ihm und stolperte über den Stumpf eines Schösslings und rutschte aus ihren Stiefeln, wobei ihr Rucksack nach vorn flog.
Harry blieb stehen, streckte den Arm aus und stützte sie am Ellbogen, während sie wieder in ihre Stiefel schlüpfte. »Seien Sie vorsichtig. Das ist ein neuer Weg und noch nicht ganz glatt. Brechen Sie sich nicht die Beine.«
Sie betrachtete das Durcheinander kürzlich abgesägter Stümpfe, von denen die meisten nicht einmal zwei Zoll Durchmesser hatten, und rieb sich ungewollt das Gesicht. Wenn Itsy hier sorglos wie ein Kind herumgerannt war, könnte sie gestolpert und mit dem Gesicht auf einen der Stümpfe gefallen sein. Könnte. So könnte es gewesen sein.
Der Pfad bildete ein schwarzes Band mit feiner weißer Kante. Harrys Fußstapfen zerdrückten den glänzenden Reif, und an den Stellen kam das dunkle Gras durch. Sie erinnerte sich an die alten Tanzbücher ihrer Großmutter, an die schwarzen Füße und die Schritte auf der weißen Seite: rechts-links-rechts-links-Wiegeschritt. Ihre eigenen Stiefel hinterließen keine Spuren auf dem harten Boden. Hatte er es so gemacht? Itsy lief in ihren kleinen Boots überall herum, während der Täter auf dem harten Boden geblieben war, wo sich seine Spuren nach einigen Stunden bei diesem Frost nicht mehr finden ließen.
Sie hörte, wie Harry zu ihr kam und seine behandschuhte Hand auf die Schulter legte. »Denken Sie nicht ständig drüber nach«, sagte er leise und missverstand ihr Schweigen. »Kommen Sie.«
Der Pfad wurde breiter, und er schob sie neben sich her, als spüre er ihre innere Unruhe und glaube, sie habe Angst. Vorsichtig gingen sie über den älteren Pfad, der nicht so viele Hindernisse aufwies.
»Wir sollten aufpassen, nicht durch den Tatort zu stolpern – irgendwo hier muss das Absperrband anfangen«, warnte Costello, die froh war, weil ihr etwas zu sagen einfiel.
»Sie haben recht, dort ist das Band.«
Beide blieben stehen, und sie spürte, wie sich Harry ihr zuneigte, spürte, wie sein warmer Atem über ihren Hals strich. »Hören Sie?«, flüsterte sie. »Ich habe etwas gehört. Von dort drüben, glaube ich.«
Costello war sich bewusst, dass sie den Atem anhielt. Sie war sicher, hinter ihnen bewegte sich ein großes Tier. Unweigerlich schauderte sie.
»Keine Sorge, das ist nur eine Kuh«, sagte Harry und ergriff die Chance, Costello einen Arm um die Schultern zu legen und sie zu drücken.
»O nein, keine Kuh«, flüsterte sie und blickte über seine Schulter. »Drehen Sie sich um, Harry. Ganz langsam.«
Harry drehte sich äußerst langsam um und blinzelte nicht.
Auf einem Grasbüschel hockte, keine sieben Meter entfernt, der Albatros, dessen schneeweiße Brust opalartig in der dunstigen Dunkelheit leuchtete.
»Wie groß er ist!« Costello war vor Freude fast sprachlos.
»Er muss einen ganzen Meter lang sein. Mehr. Mein Gott!«
Sie standen beide absolut still und starrten den Vogel an. Der Albatros betrachtete sie von seinem Grashügel mit königlicher Geringschätzung an. Der Abwärtsschwung seiner schwarzen Augenbrauen verlieh ihm
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