In einer Person
Mutter.
»Sei nicht albern –«, fing sie an.
»Wovor hast du dann Angst?«, fragte ich
meine Mutter. [376] »Eines Tages werd ich so viel Sex haben, wie ich will – und
zwar genau so, wie ich es will. Hast du etwa davor Angst, Mom?«
Sie antwortete mir zwar nicht, aber ich sah, wovor sie Angst hatte:
dass ich so viel Sex haben würde, wie ich wollte, und zwar genau so, wie ich es
wollte. Diesmal hielt Richard sich aus dem Gespräch raus; er versuchte nicht,
meiner Mom beizustehen. Während ich in mein Zimmer ging und die Tür hinter mir
schloss, dachte ich, dass Richard Abbott wahrscheinlich etwas wusste, was ich nicht wusste.
Ich legte mich aufs Bett und versuchte mir alles vorzustellen, was
ich womöglich nicht wusste. Es musste etwas sein, das meine Mutter vor mir
geheim hielt, dachte ich, und vielleicht war Richard dagegen, dass sie es mir
verschwieg. Das würde erklären, warum er ihr nicht zur Seite gesprungen war,
als sie sich in eine für mich nicht ersichtliche Bredouille gebracht hatte.
(Richard hatte nicht einmal seinen üblichen
»Immer-mit-der-Ruhe-Bill«-Schwachsinn abgelassen!)
Später, als ich einzuschlafen versuchte, dachte ich, wenn ich je
Kinder hätte, würde ich ihnen alles sagen. Aber das Wörtchen alles rief mir nur alle Einzelheiten meines sexuellen
Abenteuers mit Miss Frost ins Gedächtnis. Diese Einzelheiten, die ich in so
aufreizender (wenn nicht gar pornographischer ) Manier
wie nur möglich am nächsten Morgen Dr. Harlow berichten wollte, lenkten meine
Gedanken weiter auf den Sex, den ich mit Miss Frost nicht gehabt hatte. Bei allem, was man sich da so vorstellen konnte, lag ich
natürlich noch bis spät in die Nacht hinein wach.
[377] Kittredge hatte mich so gut auf meine Unterredung mit Dr.
Harlow vorbereitet, dass mich das Treffen nicht aus der Bahn warf. Ich sagte
einfach nur die Wahrheit, ohne irgendetwas auszulassen. Sogar, dass ich anfangs
nicht gewusst hatte, ob ich das, was die meisten Leute Sex nennen, mit Miss
Frost hatte – ob es zur Penetration gekommen war. Das Wort Penetration
faszinierte Dr. Harlow dermaßen, dass er das Bekritzeln seines linierten
Schreibblocks einstellte und mich ganz direkt und ungeduldig fragte:
»Und, ist es zur Penetration gekommen?«
»Das kommt noch«, mahnte ich ihn zur Geduld. »Man darf sich nicht
Hals über Kopf in diesen Teil der Geschichte stürzen.«
»Ich will haarklein wissen, was passiert
ist, Bill!«, ereiferte sich Dr. Harlow.
»Oh, aber das kommt noch!«, rief ich
aufgeregt. »Dass man es erst nicht weiß, gehört zur Geschichte dazu.«
»Das mit dem Nichtwissen interessiert mich nicht!«, erklärte Dr.
Harlow und richtete die Spitze seines Stiftes auf mich. Aber ich ließ mich
nicht hetzen. Je länger ich redete, desto länger musste der glatzköpfige
Eulenficker zuhören.
An der Favorite River Academy nannten wir Lehrer und andere
Erwachsene, die uns besonders verhasst waren, »glatzköpfige Eulenficker«. Der
Ursprung dieser Bezeichnung ist ungewiss. Der Name des
Favorite-River-Jahrbuchs, Die Eule, sollte wohl auf
die legendäre Weisheit von Eulen anspielen – wie sie in Wendungen wie »Eulen
nach Athen tragen« oder »so weise wie eine Eule« enthalten ist. (Unsere
dämlichen Sportmannschaften hießen die »Bald Eagles«, [378] Weißkopfseeadler –
wörtlich: glatzköpfige Adler –, was für zusätzliche Verwirrung sorgte; Adler
sind keine Eulen.)
»Mit dem ›Glatzköpfigen‹ könnte das Erscheinungsbild eines
beschnittenen Penis gemeint sein«, hatte Mr. Hadley einmal gesagt – als alle
drei Hadleys mit Richard, meiner Mutter und mir beim Abendessen saßen.
»Wie kommst du bloß darauf?«, hatte Mrs. Hadley ihren Gatten
gefragt. Ich weiß noch, wie hingerissen Elaine und ich diesem Tischgespräch
lauschten – und dass das unübersehbare Unbehagen meiner Mutter bei dem Wort Penis zu unserer Verzückung beitrug.
»Verstehst du, Martha, das mit dem ›Eulenficker‹ ist bezeichnend für
den homophoben Umgangston an einer reinen Knabenschule«, fuhr Mr. Hadley, ganz
der Geschichtslehrer, fort. »Die Jungs nennen diejenigen von uns, die sie am
meisten hassen, ›glatzköpfige Eulenficker‹, weil sie die allerschlimmsten von uns im Verdacht haben, Homosexuelle zu sein, die Knaben befummeln – oder
die davon träumen.«
Elaine und ich johlten, so komisch fanden wir das. Nie hätten wir
gedacht, dass der Ausdruck »glatzköpfige Eulenficker« irgendwas bedeutete!
Doch da meldete sich meine Mutter
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