Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer Person

In einer Person

Titel: In einer Person Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
zu Wort. »Es ist einfach einer von
diesen vulgären Ausdrücken, die die Jungs sagen, weil sie immer vulgär daherreden – denn so ticken sie nun mal«,
stellte sie erbittert fest.
    »Aber es hat ursprünglich etwas bedeutet, Mary«, beharrte Mr. Hadley. »Bestimmt hat es mal einen Grund dafür gegeben«, dozierte der Geschichtslehrer.
    Als ich Dr. Harlow mein sexuelles Abenteuer mit Miss [379]  Frost mit
Bedacht bis in alle Einzelheiten schilderte, weidete ich mich an der Erinnerung
an Mr. Hadleys historische Hypothesen, was ein glatzköpfiger Eulenficker wohl
ursprünglich gewesen sein mochte. Dr. Harlow war nämlich eindeutig einer, und
zugegeben, während ich meine Entdeckung näher ausführte, dass Miss Frost und
ich Schenkelverkehr gehabt hatten, verwendete ich einige der von James Baldwin
so geschickt gewählten Worte. »Es kam zu keiner Penetration«, klärte ich Dr.
Harlow schließlich auf, »also gab es auch keinen ›Gestank der Liebe‹, auch wenn
ich es mir noch so sehr gewünscht hätte!«
    »Gestank der Liebe!«, wiederholte Dr. Harlow; ich sah, wie er sich
das notierte und wie er auf einmal etwas blass um die Nase wurde.
    »Auch wenn ich womöglich nie einen besseren Orgasmus erleben werde«,
sagte ich Dr. Harlow, »möchte ich trotzdem immer noch alles machen – all diese Sachen, vor denen Miss Frost mich bewahrt hat, meine ich.
Nur ihretwegen will ich das alles machen – ich kann’s tatsächlich kaum
erwarten!«
    »Diese homosexuellen Sachen, Bill?«
    Auf seiner mit schütterem Haar verzierten Glatze standen
Schweißperlen.
    »Ja, natürlich ›homosexuelle Sachen‹ – aber
auch andere Sachen, nicht nur mit Männern, sondern
auch mit Frauen!«
    » Beides, Bill?«, fragte Dr. Harlow.
    »Warum nicht?«, sagte ich dem glatzköpfigen Eulenficker. »Ich hab
mich zu Miss Frost hingezogen gefühlt, als ich sie für eine Frau gehalten habe.
Als ich erkannte, dass sie ein Mann ist, hat mich das nicht weniger angezogen.«
    [380]  »Und gibt es andere Menschen, beiderlei Geschlechts – an dieser
Schule und in dieser Stadt –, zu denen du dich ebenfalls hingezogen fühlst, Bill?«, fragte Dr. Harlow.
    »Klar. Warum nicht?«, sagte ich wieder. Dr. Harlow hatte mit
Schreiben aufgehört. Vielleicht war ihm die Aufgabe, die er da auf sich
zukommen sah, eine Nummer zu groß.
    »Mitschüler, Bill?«, fragte der glatzköpfige Eulenficker.
    »Klar«, sagte ich. Um des dramatischen Effekts willen schloss ich
die Augen, was jedoch unerwartete Auswirkungen auf mich selbst hatte. Plötzlich
sah ich mich in Kittredges starken Armen; er hielt mich in der Armklammer, aber
natürlich nicht nur das.
    »Ehefrauen von Lehrern?«, schlug Dr. Harlow alles andere als
ungezwungen vor.
    Ich brauchte nur an Mrs. Hadleys unscheinbares Gesicht zu denken,
das ich regelmäßig den Teenager- BH -Models in den
Versandhauskatalogen meiner Mutter aufpfropfte.
    »Warum nicht?«, fragte ich ein drittes Mal. »Jedenfalls eine Lehrerfrau«, fügte ich hinzu.
    »Nur eine ?«, fragte Dr. Harlow, aber ich
merkte, dass der glatzköpfige Eulenficker mich fragen wollte, welche.
    In dem Moment fiel mir ein, wie Kittredge Dr. Harlows anzügliche
Frage beantwortet hätte. Zunächst einmal setzte ich eine gelangweilte Miene auf – so als hätte ich etliches mehr zu sagen, wenn es mir nicht so lästig wäre.
    Meine schauspielerische Laufbahn war so gut wie beendet. (Damals,
als ich in Dr. Harlows Büro verhört wurde, wusste ich es noch nicht, aber mir
blieb nur noch eine [381]  winzige Nebenrolle aufzuführen.) Dennoch gelang es mir,
meine beste Imitation von Kittredges Achselzucken mit Grandpa Harrys
Ausweichstrategie zu kombinieren.
    »Je nun…«, setzte ich an – und unterbrach mich gleich wieder. Statt
weiterzureden, lieferte ich dieses nonchalante Achselzucken ab – das Kittredge
von seiner Mutter geerbt und Elaine sich von Mrs. Kittredge abgeschaut hatte.
    »Verstehe, Bill«, sagte Dr. Harlow.
    »Das bezweifle ich«, erklärte ich. Ich sah, wie der alte Homohasser
erstarrte.
    »Du bezweifelst es!«, rief er empört aus und notierte sich erbost
meine Aussage.
    »Eins können Sie mir glauben, Dr. Harlow«, sagte ich, jedes Wort
noch im Ohr, das Miss Frost mir gesagt hatte. »Wenn Sie einmal damit anfangen
zu wiederholen, was andere zu Ihnen sagen, werden Sie diese Angewohnheit ganz
schlecht wieder los.«
    Das also war mein Gespräch mit Dr. Harlow, der meiner Mutter und
Richard Abbott einen knappen Kommentar schickte, in

Weitere Kostenlose Bücher