In einer Person
Schwarz
herum. Er war einer jener Manager, die aussehen wollen wie ein Künstler, und
trug einen schwarzen Jogginganzug mit Schweißflecken über schwarzem T-Shirt zu
schwarzen Turnschuhen. Mr. Pastell wirkte körperlich sehr fit; da ich gerade
mit Laufen angefangen hatte, erkannte ich auf den ersten Blick, dass er ein
besserer Läufer war als ich. Golf war nicht seine Sportart – da hätte er nicht
hart genug trainieren können.
»Vielleicht möchte uns Mr. Abbott seine Ansichten mitteilen«, sagte
Mr. Sharpie und spielte weiter mit seinem wasserfesten Stift.
»Ich werde Ihnen sagen, unter welchen Umständen ich die Idee des
Dienstes am Vaterland eventuell ernst nehmen könnte«, fing ich an. »Sobald die
regionale, staatliche und bundesweite Gesetzgebung einvernehmliche homosexuelle
Handlungen zwischen Erwachsenen nicht mehr unter Strafe stellt; sobald die
steinzeitlichen Gesetze gegen homosexuellen Geschlechtsverkehr gekippt werden;
sobald Psychologen aufhören, mich und meine Freunde als medizinisch abnorme
Sonderlinge einzustufen, die ›geheilt‹ werden müssen; sobald die Medien
aufhören, uns als verweichlichte, tuntige, kinderschändende Perverse hinzustellen! Ich selber würde sogar eines Tages gerne Kinder haben«, sagte ich
und sah zu Alice hinüber, die mit gesenktem Kopf am Tisch saß und sich die Hand
vor die Augen hielt, weil die Sonne so blendete. Sie trug Jeans und ein
Männer-Jeanshemd mit aufgekrempelten Ärmeln – ihre übliche Kluft. Ihre
behaarten Unterarme glitzerten in der Sonne.
»Kurz und gut«, schloss ich, »die Idee des Dienstes am [488] Vaterland
könnte ich eventuell dann ernsthaft in Betracht ziehen, wenn mein Vaterland
sich anmerken lässt, dass ihm wenigstens ein bisschen an mir liegt!« (Diese
Rede hatte ich auf meiner Laufstrecke am Strand – zwischen dem Santa Monica
Pier und dem Ende des Chautauqua Boulevard am Pacific Coast Highway – eingeübt,
ohne zu ahnen, dass die behaarte Mutter meiner künftigen Kinder und der
Studioboss, der fand, dass mein Ich-Erzähler seine homosexuellen Tendenzen simulieren sollte, unter einer Decke steckten.)
»Wissen Sie, was ich so toll finde?«, sagte ebendieser Studioboss.
»Dieses Voiceover über die Kindheit. Wie geht das noch mal, Alice?«, fragte die
feige Sau. Da merkte ich, dass die beiden was miteinander hatten; ich merkte es
an der Art, wie er die Frage stellte! Und wenn es »ein Voiceover« gab, schrieb irgendwer schon am Drehbuch.
Alice wusste, dass sie aufgeflogen war. Die Augen immer noch unter
der Hand verborgen, leierte sie resigniert herunter: »›Die meisten verlassenen
Stätten der Kindheit werden mit der Zeit nicht farbiger, sondern blasser.‹«
»Ja – genau!«, ereiferte er sich. »Das find ich so toll, ich finde,
es sollte ganz am Anfang und am Ende unseres Films kommen. Es verträgt die
Wiederholung, nicht wahr?«, fragte er mich, aber ohne meine Antwort abzuwarten.
»Genau diesen Erzählton wünschen wir uns – nicht wahr, Alice?«,
fragte er.
»Du weißt, wie gern ich diesen Satz mag, Bill«, sagte Alice, immer
noch die Hand vor Augen. Vielleicht war Mr. Pastells Unterwäsche pastellfarben, dachte ich – oder seine Bettwäsche.
[489] Ich konnte nicht einfach nur aufstehen und gehen. Von Beverly
Hills aus fand ich nicht allein nach Santa Monica zurück; in unserer kleinen
Möchtegernfamilie war Alice die Fahrerin.
»Sieh’s doch mal so, lieber Bill«, sagte Larry, als ich im Herbst
1969 nach New York zurückkehrte. »Wenn du mit dieser falschen Schlange Kinder
gekriegt hättest, wären sie mit Achselhaaren auf die Welt gekommen. Frauen mit
Kinderwunsch sind zu allem fähig!«
Doch wie Alice wünschte ich mir Kinder, mit jemandem – mit
irgendjemandem. Die Idee mit dem Kinderkriegen gab ich mit der Zeit auf, aber
mir den Kinder wunsch abzugewöhnen, fiel mir bedeutend
schwerer.
»Glaubst du, ich wäre eine gute Mutter geworden, William?«, hatte
Miss Frost mich einmal gefragt.
» Du? Du wärst eine phantastische Mutter!«, versicherte ich ihr.
»Ich sagte ›wäre geworden‹, William – nicht ›wäre‹. Jetzt werd ich im Leben keine Mutter mehr«, hatte mir Miss
Frost erklärt.
»Ich glaub, du wärst eine tolle Mom geworden«, sagte ich.
Damals begriff ich nicht, warum Miss Frost so auf dem Unterschied
zwischen ›geworden wäre‹ und ›wäre‹ herumritt, aber heute verstehe ich es. Die
Vorstellung, je im Leben Kinder zu kriegen, hatte sie aufgegeben, nur das Wünschen hatte sie sich
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