In einer Person
versucht hat, uns darauf vorzubereiten, was uns
erwartet«, sagte Elaine mir später, »das hat mir das Herz gebrochen.« Doch ich
lernte erst langsam mehr über die verfluchte Krankheit und war keineswegs
darauf vorbereitet.
»Oh, da ist sie ja – meine Schwester Emily«, sagte Peter, als er uns
ins Zimmer ließ, in dem sein Dad im Sterben lag.
Der Hund, Jacques, war ein schokobrauner Labrador mit grau-weißer
Schnauze und alt, was ich nicht nur an der grauen Nase und den grauen Pfoten
merkte, sondern auch daran, wie langsam und wacklig der Hund unter dem
Krankenhausbett hervorkam, um uns zu begrüßen. Eins der Hinterbeine rutschte
ein wenig auf dem Boden aus. Sein Schwanz wedelt nur leicht, als hätte er
Hüftschmerzen.
»Jacques ist fast dreizehn«, sagte Peter, »was für einen Hund
ziemlich alt ist, und er hat Arthritis.« Die kalte, feuchte Hundenase berührte
erst meine und dann Elaines Hand; mehr hatte der alte Labrador nicht gewollt.
Es rummste, als sich der Hund wieder unters Bett legte.
[566] Toms Tochter Emily lag zusammengerollt wie ein zweiter Hund am
Fußende des Krankenhausbettes ihres Vaters. Wahrscheinlich empfand Tom es als
angenehm, dass seine Tochter ihm die Füße wärmte. Atmen war für Atkins
unbeschreiblich anstrengend; seine Hände und Füße waren kalt, das wusste ich –
die Zirkulation zu Toms Extremitäten wurde reduziert, um die Blutversorgung
seines Gehirns zu verbessern.
Emilys Reaktion auf Elaine und mich erfolgte mit einer Verzögerung.
Sie setzte sich auf und kreischte; das Buch, in dem sie gelesen hatte, flog ihr
aus den Händen. Das Rascheln der Buchseiten ging in dem durchdringenden Schrei
des Mädchens unter. Ich sah eine Sauerstoffflasche in dem unaufgeräumten Zimmer – Atkins’ ehemaligem »Arbeitszimmer«, wie sein Sohn gesagt hatte, das zum
Sterbezimmer umfunktioniert worden war.
Mir entging nicht, dass das Schreien seiner Tochter auf Tom Atkins
wenig Wirkung hatte – er bewegte sich kaum auf seinem Krankenhausbett. Bestimmt
tat es ihm weh, nur schon den Kopf zu drehen; doch sein nackter Brustkorb hob
und senkte sich heftig, während der Rest seines eingefallenen Körpers
unbeweglich dalag. Der Hickman-Katheter baumelte rechts an Toms Oberkörper, wo
er unterhalb des Schlüsselbeins eingeführt worden war; der Katheter zog sich
ein paar Zentimeter über der Brustwarze unter der Haut entlang, bis er unter
dem Schlüsselbein in der Schlüsselbeinvene endete.
»Das sind doch nur Dads alte Schulfreunde, Emily«, sagte Peter
gereizt zu seiner Schwester. »Du hast doch gewusst, dass sie kommen.«
[567] Das Mädchen stakste quer durchs Zimmer zu ihrem weggeschleuderten
Buch; als sie es aufhob, drehte sie sich um und guckte böse. Jedenfalls sah die
Dreizehnjährige mich böse an, vielleicht aber auch ihren Bruder und Elaine. Als
sie den Mund öffnete, stand für mich jedenfalls fest, dass ihre Worte nur mir
galten, auch wenn Elaine mir später auf der Rückfahrt vergeblich einzureden
versuchte, Toms Tochter habe uns beide gemeint. (Was ich nicht glaube.)
»Bist du auch krank?«, fragte Emily.
»Nein, bin ich nicht – tut mir leid«, antwortete ich ihr. Daraufhin
marschierte das Mädchen aus dem Zimmer.
»Sag Mom, dass sie hier sind, Emily. Sag es Mom!«, rief Peter seiner
wütenden Schwester nach.
» Mach ich ja!«, hörten wir das Mädchen
rufen.
»Bist du das, Bill?«, fragte Tom Atkins; als ich sah, dass er
versuchte, den Kopf zu bewegen, trat ich näher ans Bett. »Bill Abbott – bist
du’s?«, fragte Atkins; seine Stimme klang schwach und schrecklich gequält. Aus
seiner Lunge drang ein lautes Gurgeln. Offenbar diente die Sauerstoffflasche
nur der gelegentlichen (und oberflächlichen) Linderung; wahrscheinlich gab es
irgendeine Maske, ich sah sie nur nicht – der Sauerstoff ersetzte das Beatmungsgerät.
Als nächstes würde Tom Morphium bekommen – im Endstadium.
»Ja, ich bin’s, Bill – und Elaine ist auch da, Tom«, sagte ich zu
Atkins. Ich berührte seine Hand. Sie war eiskalt und klamm. Jetzt sah ich das
Gesicht des armen Tom. Das fettig aussehende Seborrhoische Ekzem konzentrierte
sich auf seine Kopfhaut und die Augenbrauen, und es schälte sich von den
Nasenflügeln.
[568] »Elaine auch!«, stieß Atkins hervor. »Elaine und Bill! Geht’s dir
gut, Bill?«, fragte er mich.
»Ja, mir geht’s gut«, antwortete ich ihm; nie hatte ich mich so
dafür geschämt, dass es mir gutging.
Auf dem Nachttisch stand ein Tablett mit Medikamenten
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