In einer Person
halten.) So
viel zum Thema »Für den Falschen schwärmen«! Und es war auch keine Einbildung
meinerseits, dass jedes zweite Wort aus dem Mund vieler älterer Jungs »Homo«, »warmer
Bruder« oder »Schwuchtel« war; diese verletzend gemeinten Wörter erschienen mir
das Schlimmste, was man auf dem Internat über einen anderen Jungen sagen
konnte.
Gehörten diese »aufreizenden« Jungen, meine Schwärmereien für die
Falschen, zu dem genetischen Erbe, das mir mein Vater, der Codeknacker,
vermacht hatte? Merkwürdigerweise bezweifelte ich das; ich dachte, all diese
speziellen Schwärmereien wären mein Fehler, denn war nicht der Sergeant ein
berüchtigter Frauen held gewesen? Hatte ihm meine
kämpferische Cousine Gerry nicht das Attribut Frauenheld verpasst? Vielleicht hatte Gerry das Wort von meinem Onkel Bob oder meiner
Tante Muriel gehört – oder jedenfalls von ihnen diesen Eindruck vermittelt
bekommen. (Klang Frauenheld nicht wie ein Wort, das
von Muriel hätte stammen können?)
Vermutlich hätte ich mit Richard Abbott darüber sprechen sollen,
doch das tat ich nicht; ich wagte auch nicht, es gegenüber Miss Frost zu
erwähnen, sondern behielt diese neuen, unseligen Schwärmereien, so wie es
Kinder häufig tun, komplett für mich.
Ich begann, die Bibliothek in First Sister zu meiden. Offenbar hielt
ich Miss Frost für klug genug, um zu spüren, [89] dass ich ihr untreu war – wenn
auch nur in der Phantasie. Ja, meine ersten beiden Jahre als Schüler der
Favorite River Academy verbrachte ich fast ganz in meiner Phantasie, und die
neue Bibliothek in meinem Leben war die modernere und besser beleuchtete des
Internats. Dort machte ich alle meine Hausaufgaben und meine allerersten
Schreibversuche.
War ich der einzige Junge auf dieser reinen Jungenschule, dem die
Ringerwettkämpfe einen homoerotischen Schub gaben? Das bezweifle ich, aber
Jungs wie ich zogen den Kopf ein.
Nach den unaussprechlichen Schwärmereien für diesen oder jenen
Jungen masturbierte ich mit der zweifelhaften Hilfe der Versandkataloge meiner
Mutter. Die Werbung für BH s und Mieder weckte
meine Aufmerksamkeit. Die Mieder-Models waren meist ältere Frauen. Für mich
waren das frühe Übungen in kreativem Schreiben – wenigstens gelangen mir ein
paar raffinierte Collagen. Ich nahm die Gesichter der älteren Frauen und klebte
sie auf die der jungen Models mit den Teenager- BH s;
so wurde Miss Frost für mich lebendig, wenn auch nur (wie fast alles) in der
Phantasie.
Mädchen meines Alters interessierten mich normalerweise nicht.
Obwohl sie, wie gesagt, flachbrüstig und nicht hübsch war, interessierte ich
mich heftig für Mrs. Hadley – vermutlich weil ich sie oft sah und sie sich
ernsthaft für mich interessierte (oder jedenfalls für meine zunehmenden
Sprachstörungen). »Welche Wörter kannst du am schwersten aussprechen, Billy?«,
fragte sie mich einmal, als sie mit ihrem Mann (und ihrer Tochter mit der
Stentorstimme) bei uns zum Abendessen waren.
[90] »Das Wort Bibliothek bereitet ihm
Schwierigkeiten«, meldete sich Elaine – wie immer laut und deutlich. (Mein
sexuelles Interesse an Elaine war gleich null, doch sie wuchs mir aus anderen
Gründen immer mehr ans Herz. Nie zog sie mich wegen meiner falschen Aussprache
auf; sie schien mir genauso ernsthaft helfen zu wollen wie ihre Mutter.)
»Ich habe Billy gefragt, Elaine«, sagte Mrs. Hadley.
»Elaine weiß wohl besser als ich, welche Wörter mir die größten
Probleme bereiten«, sagte ich.
»Billy verhaut jedes Mal die beiden letzten Silben von Orgasmus «, fuhr Elaine fort.
»Ich sage Penith «, bot ich an.
»Verstehe«, sagte Martha Hadley.
»Bitte ihn nicht, den Plural zu sagen«, warnte Elaine ihre Mutter.
Hätte die Favorite River Academy damals Mädchen aufgenommen, wären
Elaine und ich wahrscheinlich schon früher beste Freunde geworden, doch ich besuchte
nie dieselbe Schule wie Elaine. So oft trafen wir uns nur, weil die Hadleys so
eng mit meiner Mom und Richard verkehrten – die vier wurden nach und nach
wirklich gute Freunde.
Und so stellte ich mir die unscheinbare und flachbrüstige Mrs.
Hadley vor – ich dachte an Martha Hadleys kleine Brüste, wenn ich Moms
Versandkataloge wälzte und die Teenager- BH s
studierte.
In der Bibliothek der Academy, wo ich zum Schriftsteller wurde
(oder, genauer gesagt, davon träumte, einer zu werden), gefiel mir der Raum mit
der riesigen Sammlung von Favorite-River-Jahrbüchern am besten. Andere Schüler
schienen sich für
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