In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
und ihm gestanden hatte, er hätte ihr den Glauben an die wahre Liebe wiedergegeben.
Schon zweimal hatte Allie ihn, wenn er sich, wie in den Kautionsauflagen festgehalten, auf der Polizeistation bei Cameron MacDonald melden mußte, begleitet, den Arm fest unter seinen gehakt. Cam hatte ihn bisher immer nur angegrunzt und mit einem Winken eiligst entlassen; doch er hatte auch nichts Schlimmeres getan. Und dies, das war Jamie klar, verdankte er nur Cams Frau.
Jetzt betrachtete er sie von seinem Beobachtungsposten neben dem falschen Kamin aus. Sie war keine klassische Schönheit, aber durchaus hübsch mit ihren whiskeyfarbenen Augen und dem schimmernden, glatten Haar. Zwar sah sie so stabil aus wie ein dünner Zweig, aber Jamie kannte sie inzwischen besser. Ob Allie MacDonald das zugeben wollte oder nicht, ihre Kraft reichte leicht für zwei. Falls sie einem Zweig glich, dann dem einer Weide – der sich bog und drehte und nachgab, statt zu brechen.
Maggie hätte sie bestimmt ins Herz geschlossen.
Bei diesem Gedanken drehte Jamie das Gesicht wieder zum Kamin. Erst jetzt bemerkte er, daß das Halbrelief über dem Sims eine pastorale Szene darstellte: Auf der Skulptur tummelten sich Hirten und Kühe mit Milchmädchen, und über allem hingen Wolken und Engel. Er starrte jedem einzelnen davon ins weiße Gesicht und verzehrte sich danach, dort irgendwo Maggies Brauen oder ihr kantiges Kinn zu entdecken.
Noch während er so dastand, eine Hand an den Sims geklammert, klopfte Allie ihm auf die Schulter. »Jamie«, sagte sie leise, »warum setzt du dich nicht hin?«
Mit Tränen in den Augen fuhr er zu ihr herum. »Ich kann sie nicht finden«, flüsterte er.
»Du findest sie schon noch«, versicherte sie ihm und führte ihn zu dem Stuhl auf der anderen Seite. Sie setzte sich ihm gegenüber und tätschelte ihm das Knie. Während er sich mit der Hand durchs Haar fuhr, stand Allie auf und ging zu der Empfangsdame. »Also wirklich«, gab sie Bescheid, »wir warten jetzt schon sehr lange.«
Als hätte sie ihn damit herbeibeschworen, erschien Graham MacPhee im Korridor. Er wirkte aufgekratzt und lebhaft; sein Haar war feucht und glatt am Kopf, obwohl es nach dreizehn Uhr war. »Jamie, Allie«, begrüßte er sie und faßte dabei ihre Namen zu einem zusammen. »Mir ist die Zeit davongelaufen.«
Er winkte sie durch den Flur in den Konferenzraum, wo ein offener Ordner lag, dessen Inhalt sich über den Tisch hin ausbreitete. Allie nahm Platz, doch Jamie blieb neben der Tür stehen. »Der Papierkram für Techcellence ist soweit fertig«, sagte Graham. Jamie hatte sich entschieden, das Management seiner Firma bis auf weiteres Rod und Flanders zu übertragen. »Es gefällt mir immer noch nicht, daß wir nicht genauer bestimmt haben, wie lange diese Verfügung gelten soll«, ergänzte Graham und legte dabei die Stirn in Falten. »Sie können es sich noch anders überlegen und ein Datum angeben.«
Jamie schüttelte den Kopf. »Sagen wir einfach, ich bin nicht ganz so optimistisch wie Sie.«
Graham räusperte sich und setzte dann ein Lächeln auf. »Die Vorverhandlung findet nächsten Mittwoch statt«, verkündete er fröhlich, als wäre das eine gute Nachricht.
Allie warf einen Blick auf Jamie, der jedoch mit verschlossener Miene quer durch den Raum auf den müden Verkehr in der Main Street starrte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, schlug die Beine übereinander und beugte sich vor. »Und das bedeutet?«
Graham zuckte mit den Achseln, woraufhin ein Wassertropfen aus seinen Haaren über den Kragen seines olivfarbenen Fischgrätanzugs rann. »Das ist nur eine Formalität«, erläuterte er. »Wir gehen wieder zum Gericht, wo der Staatsanwalt einem Richter erklärt, daß es eine Leiche gibt. Hierauf wird Cam in den Zeugenstand gerufen, damit er den Zusammenhang zwischen Jamies Geständnis und den Beweismitteln darlegt; danach verkündet der Richter, daß es zum Prozeß kommt, und wir können alle wieder heimgehen.«
Allie schüttelte den Kopf. »Was ist mit Jamie? Warum kann er den Fall nicht aus seiner Sicht schildern?«
Graham sah seinen Klienten an, der immer noch auf die Hauptstraße starrte. »Es ist nicht üblich, daß die Verteidigung schon bei der Vorverhandlung ihre Beweise auspackt. Die heben wir uns für den großen Showdown auf. Wir wollen Jamie nicht zweimal einem Kreuzverhör der Anklage aussetzen.«
Zur Überraschung aller Anwesenden marschierte Jamie plötzlich durch den Raum ans Fenster und klatschte mit
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