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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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Südgipfel kein Sauerstoff mehr da sei.«
    Hall, der sich also nicht sicher sein konnte, ob da nun Sauerstoff auf ihn wartete, beschloß, bei Hansen zu bleiben und zu versuchen, den beinahe völlig Hilflosen ohne zusätzlichen Sauerstoff hinunterzubringen. Als sie jedoch oben auf der Hillary-Stufe ankamen, gelang es Hall nicht, Hansen den senkrechten, beinahe fünfzehn Meter hohen Felsen hinunterzuhieven, und damit saßen sie fest.
    Kurz vor 17 Uhr schaffte es Groom schließlich, zu Hall durchzukommen und ihm klarzumachen, daß auf dem Südgipfel sehr wohl Sauerstoff lagere. 15 Minuten später kam Lopsang auf dem Südgipfel an und stieß auf Harris. 34
    Lopsang zufolge muß Harris zu dem Zeitpunkt schließlich doch noch begriffen haben, daß mindestens zwei der dort gelagerten Flaschen voll waren, da er den Sherpa eindringlich bat, ihm zu helfen, die lebensrettende Atemluft zu Hall und Hansen auf der Hillary-Stufe hochzubringen. »Andy sagt mir, er zahlt mir fünfhundert Dollar für Sauerstoff zu Rob und Doug bringen«, erzählt Lopsang. »Aber ich dafür dasein, um auf mein Team aufzupassen. Ich mich um Scott kümmern müssen. Also sage ich Andy, nein, ich schnell gehe runter.«
    Lopsang brach um 17 Uhr 30 vom Südgipfel auf und machte sich wieder auf den Weg nach unten. Als er sich noch einmal umwandte, sah er, wie Harris – der stark geschwächt sein mußte, wenn man von dem Zustand ausgeht, in dem ich ihn zwei Stunden zuvor auf dem Südgipfel gesehen hatte – langsam den Gipfelgrat hochstapfte, um Hall und Hansen zu helfen. Es war eine heroische Tat, die Harris mit seinem Leben bezahlte.
    Wenige 100 Meter weiter unten kämpfte sich Scott Fischer den Südostgrat hinunter. Mit jedem Schritt schwanden seine Kräfte. Als er bei 8.650 Metern oberhalb der Felsstufen ankam, wurde er mit einer Reihe steilerer Abschnitte konfrontiert, die vom Grat herabführten und nur durch beschwerliche Abseilmanöver zu überwinden waren. Zu erschöpft, um mit der komplizierten Seilarbeit fertig zu werden, setzte Fischer sich auf seinen Hintern und rutschte geradewegs einen danebenliegenden Abhang hinunter. Dies war zwar leichter, als den Fixseilen zu folgen, bedeutete aber, daß er, unten am Felsen angelangt, einen mühseligen, 100 Meter langen, ansteigenden Quer-gang durch knietiefen Schnee vornehmen mußte, um wieder auf die Route zurückzukommen.
    Tim Madsen, der mit Beidlemans Gruppe abstieg, blickte gegen 17 Uhr 20 zufällig vom Balkon aus hinauf und sah Fischer, wie er gerade mit der Überquerung begann. »Er wirkte wirklich müde und erschöpft«, weiß Madsen noch. »Er hat etwa zehn Schritte gemacht, sich hingesetzt und ausgeruht, wieder ein paar Schritte gemacht, sich wieder ausgeruht. Er bewegte sich unheimlich langsam. Aber dann sehe ich Lopsang ein bißchen oberhalb, wie er den Grat herunterkommt, und ich denke, mit Lopsang an seiner Seite wird's Scott schon schaffen.«
    Lopsang zufolge schloß er gegen 18 Uhr gleich oberhalb des Balkons zu Fischer auf: »Scott keinen Sauerstoff benutzen, also setze ich ihm Maske auf. Er sagt: ›Ich fühle mich sehr schlecht, zu schlecht, um abzusteigen. Ich werd springen.‹ Sagt er viele, viele Male, wie ein Verrückter, also nehm ich ihn ans Seil, ganz schnell, weil sonst er nach Tibet runterspringen.«
    Er sicherte Fischer mit einem 25 Meter langen Seil und brachte seinen Freund dazu, nicht zu springen und statt dessen mit ihm langsam Richtung Südsattel hinabzusteigen. »Das Wetter ist jetzt ganz übel«, erzählt Lopsang weiter. »BUM! BUM! Zweimal wie Gewehrschuß, großes Donnern. Zweimal Blitze schlagen ganz nah bei mir und Scott ein, ganz laut, großer Schreck.«
    100 Meter unterhalb des Balkons ging die sanft abfallende Schneerinne, in der sie abgestiegen waren, in Vorsprünge aus lockerem, steilem Schiefer über, und Fischer war mittlerweile zu geschwächt, um mit diesem schwierigen Terrain fertig zu werden. »Scott kann jetzt nicht mehr gehen, ich habe großes Problem«, sagt Lopsang. »Ich versuche zu tragen, aber bin auch sehr kaputt. Scott ist riesiger Körper, ich bin ganz klein. Ich kann ihn nicht tragen. Er sagt mir: ›Lopsang, du gehst nach unten. Du gehst nach unten.‹ Ich sage ihm: ›Nein, ich bleibe hier bei dir.‹«
    Gegen 20 Uhr, als Lopsang mit Fischer zusammengekauert auf einer schneebedeckten Felsleiste ausharrte, tauchten Makalu Gau und seine beiden Sherpas aus dem heulenden Schneesturm auf. Gau war beinahe ebenso geschwächt wie Fischer und vermochte

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