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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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kürzerer Zeit hinunter, als wir sie am Morgen abgestiegen waren.
    Als ich hörte, daß Beck auf dem Weg nach unten war, ging ich zu meinem Zelt, stieg erschöpft in meine Stiefel und stapfte der Bergungsmannschaft entgegen, der ich im unteren Bereich der Lhotse-Flanke zu begegnen hoffte. Aber nur 20 Minuten oberhalb von Camp Zwei kam mir die ganze Crew entgegen. Unglaublich, wie schnell sie waren. Obwohl Beck am Kurzseil ging, war er aus eigener Kraft den Berg hinuntergewandert. Breashears und die anderen führten ihn in einem Tempo den Gletscher hinunter, daß ich mit meinen angeschlagenen Knochen kaum mithalten konnte.
    Beck wurde neben Gau ins Krankenzelt gelegt, und die Ärzte zogen ihn aus. »Mein Gott!« rief Kamler, als er Becks rechte Hand sah. »Die Erfrierungen sind ja noch schlimmer als Makalus.« Als ich mich drei Stunden später in meinen Schlaf sack verkroch, waren die Ärzte immer noch dabei, mit eingeschalteter Stirnlampe Becks erfrorene Gliedmaßen im Warmwassertopf aufzutauen.
    Am nächsten Morgen – Montag, den 13. Mai – brach ich beim ersten Morgenlicht von den Zelten auf und marschierte zweieinhalb Meilen weit durch die tiefe Schlucht des Cwm bis zu der Lippe des Gletscherbruchs. Auf Anweisungen von Guy Cotter, mit dem ich über Funk in Verbindung stand, hielt ich dort Ausschau nach flachem, ebenem Gelände, das als Hubschrauberlandebasis herhalten konnte.
    Cotter hatte sich in den vergangenen Tagen immer wieder ans Satellitentelefon gehängt, um eine Hubschrauberevakuierung am unteren Ende des Cwm zu organisieren. Beck hätte sonst an den tückischen Seilen und Leitern des Gletscherbruchs hinabsteigen müssen, was für ihn wegen seiner schlimmen Handverletzungen äußerst gefährlich und praktisch kaum zu schaffen gewesen wäre. Schon 1973 waren auf dem Cwm Hubschrauber gelandet, als eine italienische Expedition sie zum Lastentransport vom Basislager aus einsetzte. Dennoch war es ein extrem
    gefährliches Unterfangen, das an die Grenze der Reichweite des Helikopters ging. Eine der italienischen Maschinen war damals über dem Gletscher abgestürzt. Seit nunmehr dreiundzwanzig Jahren war kein weiterer Versuch unternommen worden, oberhalb des Gletscherbruchs zu landen.
    Cotter blieb jedoch hartnäckig, und dank seiner Bemühungen ließ sich die nepalesische Armee von der amerikanischen Botschaft dazu überreden, einen Hubschrauberrettungsflug ins Cwm zu riskieren. Am Montag morgen gegen 8 Uhr, als ich im Chaos der Seracs an der Lippe des Gletscherbruchs vergeblich nach einer Landebasis suchte, meldete sich Cotter mit knisternder Stimme über Funk. »Der Hubschrauber ist unterwegs, Jon. Kann jede Minute dort eintreffen. Du mußt jetzt unbedingt einen Platz zum Landen finden.«In der Hoffnung, weiter oben ebenes Gelände zu finden, stieg ich ein Stück den Gletscher hoch, und prompt lief mir Beck über den Weg, wie er von Athans, Burleson, Gustafsson, Breashears, Viesturs und dem Rest des IMAX-Teams am Kurzseil das Cwm hinuntergeführt wurde.
    Breashears, der während seiner langen und vielbeachteten Filmkarriere sehr viel mit Hubschraubern zu tun gehabt hatte, fand sofort zwischen zwei klaffenden Gletscherspalten auf 6050 Metern eine Landebasis. Ein Seidenkata, den ich um einen Bambusstock band, diente uns als Wetterfahne. Breashears benutzte eine Flasche rotes Kool-Aid als Farbmittel, um im Schnee ein riesiges X im Zentrum der Landefläche zu markieren. Ein paar Minuten später tauchte Makalu Gau auf, wie er von einem halben Dutzend Sherpas auf einer Plastikplane den Gletscher hinuntergetragen wurde. Und dann hörten wir auch schon das SCHLOCK-SCHLOCK-SCHLOCK des Hubschraubers, dessen Rotor wütend nach der dünnen Luft peitschte.
    Der armeegrüne B2-Squirrel-Hubschrauber, der nur mit einem Minimum an Benzin und Ausrüstung flog, wurde von Lieutenant Colonel Madan Khatri Chhetri der nepalesischen Armee geführt. Madan machte zwei Landungsversuche, brach aber beide im letzten Moment ab. Bei seinem dritten Versuch schaffte er es jedoch und setzte schwankend und wankend auf dem Gletscher auf; der Schwanz des Hubschraubers ragte über eine bodenlos tiefe Gletscherspalte hinweg. Madan ließ den Rotor mit voller Kraft weiterlaufen, nahm nicht eine Sekunde die Augen vom Bedienungsfeld und hob einen Finger, um anzuzeigen, daß er nur einen Passagier an Bord nehmen konnte. In dieser großen Höhenlage konnte jedes zusätzliche Gewicht beim Abheben zum Absturz führen.
    Da Gaus erfrorene Füße auf Camp

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