In eisige Höhen
zu drehen, und ich drückte ihn aus.
Ich lag nackt auf dem Bett und lauschte den durch das offene Fenster hereinwehenden Geräuschen der Nacht. Das Klingeln der Rikscha-Glocken vermischte sich mit dem Hupen der Autos, den Lockrufen der Straßenhändler, dem Gelächter einer Frau oder der Musik von der Bar gleich unten. Flach auf dem Rücken liegend, zu stoned, um auch nur einen Finger zu bewegen, schloß ich die Augen und aalte mich in der klebrigen Hitze des Vormonsuns wie in warmem Balsam. Ich hatte das Gefühl, mit der Matratze zu verschmelzen. Eine Prozession aus feinziselierten Windmühlenrädern und Comicfiguren mit großen Nasen zog in grellen Neonfarben über meine Augenlider hinweg.
Als ich mich mit dem Kopf zur Seite legte, streifte ich mit dem Ohr eine feuchte Stelle. Tränen rannen mir übers Gesicht, wie ich nun bemerkte, und näßten die Bettwäsche. Ich spürte, wie ein gurgelnder, aufblähender Schluchzer aus Schmerz und Scham von irgendwo tief unten in meinem Innern die Wirbelsäule hochgerollt kam. Als er schließlich in einer Schleimflut aus Nase und Mund hervorbrach, folgte gleich ein zweiter, dann ein weiterer und ein weiterer.
Am 19. Mai flog ich in die Staaten zurück. Ich hatte zwei Seesäcke mit Doug Hansens Habseligkeiten dabei, die ich den Menschen zurückbringen wollte, die ihn liebten. Am Flughafen von Seattle wurde ich von seinen Kindern Angie und Jaime in Empfang genommen; ferner von seiner Freundin Karen Marie und von weiteren Freunden und Verwandten. Als ich mit ihren Tränen konfrontiert wurde, kam ich mir dumm und völlig ohnmächtig vor.
Ich atmete dicke, nach Ebbe duftende Meeresluft und war ganz erstaunt darüber, wie üppig der Frühling in Seattle war. Ich schwelgte in seinen moosig feuchten Reizen wie noch nie. Linda und ich mußten uns erst wieder miteinander vertraut machen: ein Prozeß, der seine Zeit brauchte. Die fünfundzwanzig Pfund, die ich in Nepal abgenommen hatte, waren im Nu wieder drauf. Die schlichten Freuden des häuslichen Lebens mit meiner Frau zu frühstücken, den Sonnenuntergang über den Füget Sund zu beobachten, mitten in der Nacht aufstehen und barfuß in ein warmes Badezimmer gehen zu können – riefen Glücksgefühle in mir hervor, die an Verzückung grenzten. Aber solche Momente wurden von dem weiten Halbschatten verdunkelt, den der Everest warf und der auch mit der Zeit kaum schwächer wurde.
Ich hatte an meinen Schuldgefühlen arg zu knabbern und zögerte es so immer wieder hinaus, mich bei Andy Harris' Lebensgefährtin Fiona McPherson und Rob Halls Frau Jan Arnold zu melden. Schließlich riefen sie mich aus Neuseeland an. Ich sah mich schier außerstande, etwas zu sagen, das Fionas Schmerz und Bestürzung gelindert hätte. Und Jan war während unseres Gesprächs mehr damit beschäftigt, mich zu trösten als ich sie.
Mir war schon immer klar gewesen, daß Bergsteigen eine hochgefährliche Sache war. Ich akzeptierte, daß das Risiko ein wesentlicher Bestandteil des Spiels war – ohne das würde sich das Bergsteigen kaum von Hunderten von anderen Freizeitbeschäftigungen unterscheiden. Es war ein prickelndes Gefühl, das Geheimnis des Todes zu streifen, einen verstohlenen Blick über die verbotene Grenze zu werfen. Bergsteigen war eine phantastische Betätigung, und zwar, wie ich fest glaubte, nicht trotz, sondern vor allem wegen der damit einhergehenden Gefahren.
Bevor ich in den Himalaja gereist war, war ich jedoch noch nie so hautnah mit dem Tod in Berührung gekommen. Verdammt, bevor ich zum Everest ging, war ich noch nicht einmal auf einer Beerdigung gewesen. Die menschliche Sterblichkeit war für mich nichts als ein bequemes hypothetisches Konzept, eine Idee, über der man in abstrakten Gedanken verweilt. Klar, eine derartig priviligierte Unschuld mußte früher oder später in sich zusammenbrechen, aber als es dann schließlich passierte, war der Schock durch das schiere Ausmaß des Blutbads doppelt so groß: Alles in allem starben im Frühjahr 1996 zwölf Männer und Frauen auf dem Everest, die schlimmste Todesrate seit 75 Jahren, als der Berg zum ersten Mal von Bergsteigern betreten wurde.
Von den sechs Bergsteigern der Hall-Expedition, die den Gipfel erreichten, kamen nur Mike Groom und ich wieder unten an: Vier Teamgefährten, mit denen zusammen ich gelacht, gekotzt und die persönlichsten Gespräche geführt hatte, verloren ihr Leben. Mein Verhalten – oder mein Versagen – spielte eine direkte Rolle im Zusammenhang mit Andy
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