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In eisige Höhen

Titel: In eisige Höhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Krakauer
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hinunter von unserem entfernt.
    Die Männer und Frauen, die eine Karriere mit dem Besteigen der höchsten Berge der Erde machen, bilden einen kleinen handverlesenen Klub. Fischer und Hall waren geschäftlich Konkurrenten; als prominente Mitglieder der Höhenlagen-Fraternität kreuzten sich jedoch ihre Wege ständig, und in gewisser Weise verstanden sie sich als Freunde. Sie hatten sich in den achtziger Jahren in Rußland im Pamir kennengelernt und 1989 und 1994 auf dem Everest relativ viel Zeit miteinander verbracht. Sie hatten sich fest vorgenommen, sich zusammenzutun und einen Versuch auf den Manaslu zu wagen – einen schwierigen 8163 Meter hohen Gipfel im Zentrum Nepals –, gleich im Anschluß an ihre kommerziellen Everest-Expeditionen 1996.
    Die Bande zwischen Fischer und Hall hatten sich erst 1992 so richtig gefestigt, als sie sich auf dem K2 über den Weg liefen, dem zweithöchsten Berg der Erde. Hall hatte sich mit seinem
Companero
und Geschäftspartner Gary Ball an den Berg gewagt. Fischer kletterte mit Ed Viesturs, einem der besten amerikanischen Bergsteiger. Auf dem Abstieg vom Gipfel begegneten Fischer, Viesturs und ein dritter Amerikaner, Charlie Mace, Hall in einem heulenden Sturm, als er sich um den halbbewußtlosen Ball bemühte, den die Höhenkrankheit erwischt hatte. Ball schwebte in Lebensgefahr und konnte sich nicht mehr selber fortbewegen.
    Fischer, Viesturs und Mace halfen mit, Ball durch den Schneesturm an den von Lawinen überrollten unteren Hängen des Berges hinunterzuschleppen, und retteten ihm damit das Leben. (Ein Jahr später starb Bill an einer ähnlichen Erkrankung auf den Hängen des Dhaulagiri.)
    Der vierzigjährige Fischer war ein stämmiges, geselliges Kraftpaket mit blondem Pferdeschwanz, besessen von einer geradezu manischen Energie. Als vierzehnjähriger Schuljunge in Basking Ridge, New Jersey, hatte er sich zufällig eine Fernsehsendung über Bergsteigen angesehen und war völlig hingerissen. Den Sommer darauf fuhr er nach Wyoming und machte Abenteuerferien in einer Art Wildniskurs, der von der National Outdoor Leadership School (NOLS) veranstaltet wurde. Sobald er die High-School abgeschlossen hatte, ließ er sich im Westen der USA nieder und arbeitete saisonal als NOLS-Ausbilder. Das Klettern wurde zum Mittelpunkt seines Kosmos – und so sollte es bleiben.
    Mit achtzehn verliebte er sich in Jane Price, eine Studentin seines NOLS-Kurses. Sieben Jahre darauf heirateten sie, ließen sich in Seattle nieder und bekamen bald Nachwuchs, Andy und Katie Rose (die neun beziehungsweise fünf waren, als Scott 1996 an den Everest ging). Price erwarb einen Flugschein für Passagierjets und wurde Pilotin der Alaska Airlines – ein sehr begehrter, gutbezahlter Posten. Fischer war es nun möglich, sich ganz dem Klettern zu widmen, und es war ebenfalls ihr Einkommen, das es ihm 1984 ermöglichte, Mountain Madness ins Leben zu rufen.
    Wenn der Name von Halls Unternehmen, Adventure Consultants, seine methodische, penible Einstellung zum Bergsteigen widerspiegelte, so war Mountain Madness eine noch viel treffendere Beschreibung von Fischers persönlichem Stil. Bereits mit Mitte Zwanzig hatte er sich den Ruf erworben, einen halsbrecherischen Kletterstil – nach dem Motto: Zum Teufel mit dem Risiko – zu pflegen, der einem den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Während seiner gesamten Bergsteigerlaufbahn, aber vor allem in jenen Anfangsjahren, überlebte er eine Reihe von schreckenserregenden Unfällen, die ihn eigentlich jedesmal das Leben hätten kosten müssen.
    Mindestens zweimal – einmal in Wyoming, ein anderes Mal im Yosemite-Tal – stürzte er beim Felsklettern aus zirka dreißig Metern zu Boden. Als er als junger Ausbilder bei einem NOLS-Kurs in der Wind River Range kletterte, fiel er über zwanzig Meter tief ohne Seil auf den Grund einer Gletscherspalte des Dinwoody-Gletschers. Seinen berüchtigtsten Sturz aber leistete er sich wohl als Neuling beim Eisklettern: Trotz seiner Unerfahrenheit beschloß er, die vielbegehrte Erstbesteigung der Bridal Veil Falls im Provo Canyon in Utah zu wagen, einem zugefrorenen Wasserfall mit hohem Schwierigkeitsgrad. Fischer kletterte mit zwei Spezialisten in dieser Disziplin um die Wette, verlor gut dreißig Meter nach dem Start sein Gleichgewicht und stürzte ab.
    Zum Erstaunen aller, die den Vorfall mit ansahen, rappelte er sich sogleich wieder auf und trug nur relativ geringfügige Verletzungen davon. Während seines lang anhaltenden Falls hatte

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