In eisige Höhen
gewesen – ein hochdekorierter Oberst des Special Air Service, der australischen Variante der Green Berets. Taske hatte auf dem Höhepunkt des Krieges in Vietnam zwei Einsätze geflogen, mußte dann aber die schmerzhafte Erfahrung machen, daß er fürs Zivilleben nicht gerüstet war. »Ich wußte einfach nicht, wie man sich mit normalen Menschen unterhält«, fuhr er fort. »Meine Ehe ist in die Brüche gegangen. Ich sah nur noch diesen langen dunklen Tunnel auf mich zukommen, der in Krankheit, Alter und Tod endet. Dann habe ich mit dem Klettern angefangen, und der Sport hat mir beinahe alles gegeben, was ich im Zivil-Leben vermißt habe – die Herausforderung, die Kameradschaft und das Gefühl, eine Berufung zu haben.«
Je mehr meine Sympathie für Taske, Weathers und einige andere Teamgefährten wuchs, desto unwohler fühlte ich mich in meiner Rolle als Journalist. Ich hatte keine Bedenken, offen über Leute wie Hall, Fischer oder Sandy Pittman zu schreiben, die alle seit Jahren um Aufmerksamkeit in den Medien kämpften und buhlten. Aber bei meinen Teamgefährten war das was anderes. Als sie bei Hall unterschrieben, hatte keiner von ihnen gewußt, daß ein Reporter in ihrer Mitte sein würde – jemand, der eifrig Notizen macht, in aller Stille ihre Worte und Taten festhält, um ihre Macken und Marotten einer möglicherweise feindseligen Öffentlichkeit preiszugeben.
Nach der Expedition wurde Weathers für die Fernsehsendung
Turning Point
interviewt. In einem Abschnitt des Interviews, der nicht in der Fassung enthalten war, die letztlich ausgestrahlt wurde, fragte Forrest Sawyer, der Außenreporter von ABC News, Beck: »Was hielten Sie davon, daß ein Reporter mit von der Partie war?« Beck antwortete: Es
war eine große zusätzliche Belastung. Irgendwie hat man das immer im Hinterkopf- man ist sich ständig bewußt, daß dieser Typ nach der Rückkehr eine Geschichte schreibt, die von ein paar Millionen Menschen gelesen wird. Ich meine, es ist schon so schlimm genug, da raufzugehen und sich lächerlich zu machen, selbst wenn man allein mit dem Team ist. Die Tatsache, daß irgend jemand einen auf den Seiten irgendeiner Zeitschrift vielleicht zum Trottel und Clown macht, beeinflußt einen psychisch. Man will seine Sache möglichst gut machen und hängt sich wirklich rein. Und ich habe mir Sorgen gemacht, daß es einige Leute dazu verführen könnte, Dinge zu wagen, die sie sonst sein lassen würden. Auch die Bergführer. Ich meine, sie wollen die Leute auf den Gipfel kriegen, weil – und da haben wir's wieder – über sie geschrieben wird und weil sie beurteilt werden.
Kurz darauf fragte Sawyer: »Hatten Sie das Gefühl, daß Rob Hall durch die Tatsache, daß ein Reporter dabei war, zusätzlichem Druck ausgesetzt war?«
Anders kann ich mir's nicht vorstellen. [Rob] verdient sich damit ja seinen Lebensunterhalt, und wenn einer seiner Kunden sich verletzt, dann ist das das Schlimmste, was einem Bergführer passieren kann... Vor zwei Jahren hatte er bestimmt eine großartige Saison, als er alle auf den Gipfel gebracht hat, was außergewöhnlich ist. Und ich glaube sogar, daß er das Gefühl hatte, daß unser Team stark genug war, dies zu wiederholen ... Ich glaube
also, da ist der Antrieb, wenn man wieder in den Nachrichten auftaucht, in der Zeitschrift, daß dann nur Gutes über einen drinsteht.
Erst am späten Vormittag schleppte ich mich ins Camp Drei: drei kleine Zelte, die sich auf mittlerer Höhe der schwindelerregend steilen Lhotse-Flanke auf einem stufenförmigen Absatz aneinanderzwängten, der von unseren Sherpas ins Eis geschlagen worden war. Als ich dort ankam, plagten sich Lhakpa Chhiri und Arita immer noch mit einem Absatz für ein viertes Zelt ab. Ich nahm also meinen Rucksack ab und half ihnen beim Hacken. Bei 7300 Metern schaffte ich mit meinem Eispickel nur sieben, acht Hiebe, bevor ich völlig außer Atem war. Mein Beitrag zu dem Unternehmen war kaum der Erwähnung wert, versteht sich, und sie brauchten noch eine weitere Stunde, bis die Arbeit getan war.
Unser winziges Camp, etwa 30 Meter über den Zelten der anderen Expeditionen gelegen, war ein atemberaubend exponierter Platz. Wochenlang hatten wir uns durch einen Canyon gekämpft – was anderes war es letztlich nicht; aber nun bot die Aussicht uns zum ersten Mal mehr Himmel als Erde. Scharen von massigen Kumuluswolken huschten unter der hoch am Himmel stehenden Sonne vorbei und drückten der Landschaft ein sich ständig verlagerndes
Weitere Kostenlose Bücher