In eisigen Kerkern (German Edition)
klang schon nicht mehr so geduldig.
„Sie fürchten eine Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse“, wisperte die Herolder, und als die Zigarette beim nächsten Zug aufglühte, sah Nelli, dass sie lächelte.
„Jetzt vergessen Sie doch mal für einen Moment Ihre Spielchen“, flüsterte Nelli eindringlich zurück. „Vielleicht ist das unsere Chance, den ganzen Wahnsinn zu beenden, ohne dass irgend jemandem was passiert. Das da draußen...“
„He“, schrie der Dicke und wummerte gegen die Tür. „Jetzt antworten Sie schon.“
„Moment noch“, rief Nelli zurück.
„Was ist das überhaupt für ein Gestöhne und Gejammere?“
Nelli schnaufte. Sie bemühte sich, ihre Stimme sachlich klingen zu lassen. Sie nahm Monikas unregelmäßige aber beständige Lautäußerungen schon gar nicht mehr wahr.
„Meine Stieftochter hatte einen Nervenzusammenbruch. Sie braucht dringend einen Arzt.“
„Ach, das ist doch bloß Mache“, kam es nach kurzer Pause, etwas leiser und deutlich verunsichert.
Nelli packte die Herolder am Ärmel, zog sie ganz nah zu sich heran und flüsterte: „Das sind zwar Idioten, aber keine Gangster. Die wollen vielleicht Geld, aber sie haben auch Angst und fühlen sich in der Klemme. Wir müssen denen nur klar machen, dass wir sie nicht anzeigen, dass sie aus der Situation heraus kommen und ihr Leben weiterleben können als wäre nichts passiert. Vielleicht können wir ja auch ein bisschen Geld für sie zusammenkratzen.“
Die Herolder blies Nelli einen Schwall Rauch mitten ins Gesicht, riss sich von ihr los und ließ ihren Stummel fallen. Nelli hörte deutlich den Aufprall der paar Gramm Filter auf dem Beton des Kellers. Die Glut war zu erkennen und das Knirschen zu hören, als Nelli die Kippe selbst austrat, wohlwissend, dass ihre Mitgefangene es auch hier drinnen wieder nicht tun würde.
„Wenn ich da mitmache, müssen Sie mir was dafür bieten“, forderte die Herolder flüsternd.
„Hey, zum Donnerwetter“, schrie der Dicke, „ihr wollt wohl noch ein paar Stunden Bedenkzeit, bevor ihr mal antwortet?“
Die Aussicht auf weitere dahinkriechende Ewigkeitseinheiten in diesem verqualmten Loch, auf ausharren und Sekunden zählen mit ausgetrockneter Zunge und der ständig lauter stöhnenden Monika ließ einen neuen Schub Stresspanik in Nelli aufkommen. Zugleich wurde sie so wütend, dass ihr fast die Hand ausrutschte.
„Zum Kuckuck noch mal, Sie wollen doch auch hier raus!“
„Mir gefällt es hier eigentlich ganz gut.“
Es klopfte an der Tür, zaghaft. Der Hagere hatte wieder das Kommando.
„Wenn ich Ihr Geflüstere mal stören dürfte“, meldete er sich zu Wort.
„Kommen Sie in einer Stunde wieder“, rief die Herolder.
„Was, äh...“
„Jetzt reicht es aber“, ging Nelli laut dazwischen. „Ihr da draußen, was eure Frage betrifft: Wir hatten schlicht Angst, als ihr so zielstrebig ins Haus marschiert seid, und haben uns deshalb versteckt. Hätte ja sein können, dass...“
„Ne, ne, ne“, wurde sie von draußen unterbrochen, „das ist völliger Unfug. Sie wussten ja gar nicht, wer wir sind. Außerdem lag Frau Herolder am Boden. Also, was war hier los?“
„Es gab eine Meinungsverschiedenheit“, versuchte es Nelli zögernd.
„Die haben mich k.o. geboxt und wollten es vertuschen“, fuhr ihr die Herolder über den Mund. „So war das. Ohne euch hätten sie mich vielleicht längst um die Ecke gebracht.“
„So ein Quatsch!“, zischte Nelli dazwischen.
„Und jetzt für die richtige Antwort noch ein Glimmstängelchen bitte.“
„Ein Einbruch oder Raubüberfall?“, hakte der Hagere sofort ein. „Hatte das was mit unserem Auftrag zu tun?“
Seine Stimme hatte sich beim Sprechen bewegt. Die Herolder schloss daraus ganz richtig auf ihre Belohnung, bückte sich und nahm sie streichholzratschend in Empfang.
„Was war das für ein Auftrag?“, fragte Nelli.
„Erst meine Fragen.“
„Eingeladen hatte ich die beiden nicht, und schon gar nicht wollte ich eine aufs Maul haben“, antwortete die Herolder.
Nelli sah im Aufleuchten der Glut des nächsten Zuges ihre Augen auf sich ruhen.
„Also war alles bloß Zufall?“
„Schätze, so könnte man es ausdrücken.“
„Nun gut, Nelli, der Auftrag lautete...“
„Sie haben nach wie vor Schweigepflicht, Freundchen“, schnitt ihm die Reporterin das Wort ab.
„Hat sich was mit Schweigepflicht. Ich will die Wahrheit wissen.“
„Meine Geschäfte gehen Sie gar nichts an“, schnauzte die Herolder zurück
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