In eisigen Kerkern (German Edition)
Viertelstunde.“
„Danke, Andi. Das sieht sehr gut aus.“
„Lass es dir schmecken.“
Er ging um die Theke herum zurück in die Küche. Nelli dekorierte eines der Brote mit Schinken und Käse und biss herzhaft hinein.
Kein fließend heißes Wasser, kein Strom. Kaum zu glauben. Mal für einen Abend mochte das ganz romantisch sein, aber ein Leben lang, jede Nacht allein hier oben bei Kerzenlicht – ohne Fernseher, Radio, Computer...
Sie selbst hatte sieben Jahre lang auch nicht anders gelebt. An wechselnden Orten zwar, aber ohne jeden Komfort hatte sie die meisten Nächte im Zelt verbracht.
Nelli begriff, dass sie auch deswegen umgekehrt und auf dem Heimweg war. Ein ganzes Leben lang wollte sie nicht als Außenseiter und Fremdkörper verbringen, um eines Tages in einem Straßengraben zu verrecken und im Niemandsland verscharrt zu werden.
Es drängte sie, diesen Gedanken festzuhalten. Er war tauglich als Argument für ihre Liste, die sie hervorzuziehen pflegte, wenn ihr wieder mal nach Abbruch ihrer Rückkehr und Neustart ins Nirgendwo zumute war. Das Tagebuch steckte wieder fest zwischen ihren Sachen in der Packtasche, wo es hingehörte. So sehr ihr nach schreiben war, sie wollte nicht riskieren, dabei von Andi gesehen und wieder bekniet zu werden, ihm vorzulesen.
Sie hörte ihn in der Küche werkeln. Rührend, wie er Feuer schürte, Wasser kochte und Töpfe schleppte, um irgendwo in diesem Haus eine Wanne voll Badewasser heiß zu bekommen. Rührend, aber auch gruselig. Es erinnerte sie an seine Verzögerungstaktiken des Tages. Das war doch keine Einbildung gewesen, dass er es drauf angelegt hatte, sie hierzubehalten. Und jetzt war sie hier mit ihm, allein. Sein Plan war letztlich aufgegangen.
„Quatsch“, flüsterte sie und schob sich den letzten Brocken Schinken-Käse-Brot in den Mund. Er hatte ihr das Buch zurückgegeben und hätte sie vorhin fahren lassen. Sie war aus freien Stücken hier. Außerdem hätte er längst über sie herfallen können, wenn es das war, was er wollte.
Vielleicht wollte er sie aber auch nur nicht so dreckig und verschwitzt. Vielleicht war er deshalb so besonders emsig mit seinen Wassertöpfen zugange.
Nur für alle Fälle, sagte sich Nelli, und holte, heimlich nach Andi spitzend, einen flachen Schraubenschlüssel aus einer Seitentasche und schob ihn sich in die Jeanstasche. Um ihm im Notfall Schmerzen zuzufügen, würde es reichen.
„Doppelt genäht hält besser“, flüsterte sie und wollte die Seitentasche öffnen, in der sie das Reizgas versteckt hatte.
„Es ist so weit“, hörte sie Andi rufen. „Nimm eine Kerze mit.“
Es klang, als sei er gleich mehrere Zimmer weiter in einem anderen Teil des Hauses.
Sie ließ das Reizgas stecken, nahm eine Kerze in die eine und ihre Tasche in die andere Hand und ging an der Theke vorbei zur Küche und durch die Küche zur Tür gegenüber in den Gang, durch den sie am Vormittag vom Hintereingang kommend das Haus betreten hatte. Hier war außer der Hintertür nur ein weiterer Durchlass in der Wand, und der sah aus wie eine Kellertür.
„Andi?“
„Ja, ich bin hier hinten.“
Nelli sah noch einmal den Gang entlang. Wäre die Wand nicht, würde er in den Flur Richtung Haupteingang münden. Seltsam verwinkelt gebaut das alles hier, dachte sie und drückte gegen die Tür. Ein Lagerraum mit allen möglichen Kartons schloss sich an. Gegenüberliegend drangen schwaches Kerzenlicht und Dampf aus einer angelehnten Tür.
Dahinter lag ein kleiner, fensterloser, roh verputzter Raum mit einer altertümlichen Zinkwanne ohne Anschlüsse und Hähne. Andi war dabei, auf einem Regal ein rundes Dutzend brennende Kerzen nach Größe zu gruppieren.
„Damit du es schön gemütlich hast“, meine er lächelnd und ohne sie anzuschauen. „Und Handtücher bring ich auch gleich.“
Oh Gott, ich muss hier weg, bevor es zu spät ist, schoss es Nelli durch den Kopf. Da war er schon um sie herum zwischen Tür und Wanne getreten und schaute missbilligend auf ihre Packtasche.
„Du traust mir wohl immer noch nicht?“
„Doch, aber...“
Sie stellte ihre Kerze zu den anderen, hob die Tasche an und ließ ihn hineinschauen.
„Da sind doch meine frischen Sachen drin.“
Er nickte, und sein Gesicht hellte sich wieder auf.
„Alles klar.“
Nelli stellte die Tasche neben die Wanne.
„Ganz schön unpraktisch, dass die Wanne so weit weg ist von der Küche.“
„Wie meinst du das.“
„Na, weil du das Wasser so weit schleppen musst.“
„Ach
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