In ewiger Nacht
weg! Er ist böse, schlecht und böse! Schick ihn weg!« Das Kind sprach wie ein Erwachsener im lauten Flüsterton und schaute immer wieder zu dem Wanderer, der neben ihnen stehengeblieben war.
»He, Mann, alles okay, ja, geh weiter, ja?« Die Schlampe fletschte freundlich die Zähne.
»Mama, komm schnell, Ljuda ist da ganz allein mit ihm, komm!«, jammerte das Kind.
»Lauf schon, Petja, ich muss nur schnell in die Apotheke, ich komme gleich wieder, klar? Nun lauf schon, verdammt!«
»Und Ljuda?«
»Er spielt bloß mit ihr, klar? Sie spielen bloß.«
Sie versetzte ihm einen leichten Schubs. Der Junge lief zurück in den Hauseingang.
»Hilfe, rette mich!«, schrie der Engel.
Direkt gegenüber leuchtete blendend hell ein weißgrünes Schild. 24-Stunden-Apotheke. Ohne zu überlegen, steuerte der Wanderer darauf zu.
Er musste noch Babyöl kaufen. Die Hominidin brauchte Spritzen. Drogen hatte sie schon. Ein gewisser Kolja hatte ihr Geld gegeben, und dafür überließ sie ihm ihre Kinder.
»Hilfe, rette uns!«, schrien nun bereits zwei Engel. Diekleinen Kinder standen am Rand des Abgrunds; er durfte nicht zögern.
Das Konzert im Nachtklub besserte Vaselins Laune.
Die Zuhörer hingen in Trauben über dem Treppengeländer und strömten hinunter, um näher an der Bühne zu sein. Viele sangen mit, wiegten sich mit geschlossenen Augen. Es roch nach Schweiß, Parfüm und Marihuana.
Vaselin sang ein paar alte Hits und erntete Kreischen, Pfeifen und Beifall. Erhitzte, bekiffte Mädchen warfen sich ihm an den Hals. Er küsste jede auf die Wange und lachte. Natascha bewachte ihn eifersüchtig.
»Du bist klasse, Vaselin! Ich find dich so geil!« Eine etwa fünfzehnjährige kleine Schönheit hielt seinen Hals umschlungen und ließ ihn nicht los. Sie hatte hüftlanges, glattes goldblondes Haar. Ihre riesigen Augen wirkten durch die vergrößerten Pupillen ganz schwarz.
Vaselin bemerkte aus dem Augenwinkel mehrere Blitzlichter. Bestens. Das Konzert musste in die Klatschspalten. Sollten nur alle sehen, wie die kleinen Mädchen ihn liebten.
Er küsste die dünne Blonde auf die Stirn und versuchte behutsam, ihre Arme von seinem Hals zu lösen. Kein Zweifel, sie war hübsch, zu allem bereit und ganz sein Geschmack. Aber er hatte andere Pläne. Über den goldblonden Schopf hinweg blickte er suchend in den Saal. Unter den vielen Mädchengesichtern meinte er immer wieder ein ganz kindliches zu entdecken: Runde blaue Augen, kastanienbraunes, zu Rastalocken geflochtenes Haar.
»Sie ist nicht da«, sagte Natascha leise und half ihm, sich aus der Umarmung der bekifften blonden Schönheit zu lösen.
»Wer?«, fragte er flüsternd.
»Tu doch nicht so.« Natascha lachte traurig auf. »Ich weiß Bescheid.«
Sie konnten sich kaum verständigen, aus den Lautsprechern dröhnte Hardrock, und um ihn herum lärmten diezwitschernden Verehrerinnen. Vaselin packte Natascha an der Hand und zog sie zum Ausgang.
»Und?«, fragte er, als sie im Foyer standen, vor dem Tresen des Wachmanns.
»He, wieso regst du dich so auf?« Natascha zuckte mit der Schulter.
»Wer regt sich auf? Ich? Ich glaube, du bist ein bisschen daneben. Ich bin völlig in Ordnung.«
Sie wird sich nicht einfach so abwimmeln lassen, dachte er gereizt und wehmütig, sie wird rumjammern und mir Vorwürfe machen. Mir zum Abschied noch eine Gemeinheit antun. Ach, wozu sich damit quälen? Es kommt, wie es kommt. Hauptsache, die kleine Shenja legt mich nicht rein. Wieso ist sie nicht hier? Sie hat es doch versprochen.
»Was ist mit dir? Beruhige dich«, wiederholte Natascha und schaute ihm in die Augen.
»Lass mich in Ruhe!«, raunzte er leise, mit einem Blick auf einen jungen Mann, der vor der Toilette stand und rauchte.
Natascha packte Vaselin bei den Schultern und drehte sein Gesicht zum Spiegel.
»Sieh dich an!«
Im grellen luminiszierenden Licht wirkte sein Gesicht bläulich blass und war mit ziemlich hässlichen roten Flecken übersät.
»Was ist das? Ausschlag?«, rief er erschrocken.
»Nur Lippenstift.« Natascha holte ein Papiertaschentuch hervor. »Du solltest nicht so viel mit kleinen Mädchen rumknutschen. Fällt übrigens unter Paragraph 134. Geschlechtsverkehr mit einer Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren bestraft. Sie ist vor kurzem erst fünfzehn Jahre alt geworden, soweit ich weiß, und du hast schon davor mit ihr geschlafen. Du kannst also von Glück reden, dass sie nicht hier
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