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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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wem willst du reden?«, fragte Sazepa, als Groschew das Telefon weggesteckt hatte.
    »Mit dem Mädchen in der Wohnung.« Groschew stand auf, zückte die Brieftasche und warf mehrere Geldscheine auf den Tisch.
    »Warte, und was habt ihr mit diesem Bastard vor?«
    »Was wünschst du ihm denn? Ein langes Leben? Na, mach’s gut, ich ruf dich an.«
    Er ging zum Ausgang, blieb kurz stehen, drehte sich um und sah Sazepa einige Sekunden lang seltsam an. Dann öffnete er seine Aktentasche, entnahm ihr einen Umschlag aus festem Papier, ging zurück und legte ihn vor Sazepa auf den Tisch.
    »Sieh dir das hier an. Aber nicht jetzt und nicht hier.«
    »Was ist das?«
    »Ich habe gesagt, später, und möglichst, wenn niemand in der Nähe ist. Sobald du es dir angesehen hast, ruf mich an.«
    Groschew ging rasch hinaus. Der Umschlag war zugeklebt. Sazepa wollte ihn aufreißen, doch die Kellnerin kam.

Fünfundzwanzigstes Kapitel
    Mark saß im Flur auf einem Hocker. Die Patienten bekamen Besuch von ihren Angehörigen. Frauen mit Essenpaketen und frischer Wäsche. Kein einziger Mann.
    Als Besucherraum diente für die Zeit zwischen Frühstück und Mittag der Speisesaal. Durch die offene Tür schauten ständig Patienten, die keinen Besuch bekommen hatten. Die diensthabende Schwester verscheuchte sie träge, aber einige schlüpften doch hinein und kamen stets mit etwas Beute wieder heraus – einer Praline, einer Apfelsinenspalte.
    Mark hatte keinen allzu großen Schreck bekommen, als die Ärztin vom »Wahrheitsserum« sprach. Von so etwas hatte er schon gehört oder gelesen. Ein Amythal-Koffein-Mix zur Enthemmung. Unter der Wirkung dieses Präparats verlor der Betroffene für kurze Zeit die Kontrolle über sich, hielt alle um sich herum für seine besten Freunde und redete und redete. Ja, ich muss allmählich weg hier, dachte er und betrachtete die abgeblätterten, scheußlich khakifarbenen Wände und die Irren in Pyjamas. Aber wie? Sagen, dass ich mich wieder erinnere, dass ich wieder gesund bin? Danke für die Gastfreundschaft? Ja, das ist wohl die einzige Möglichkeit. Meine Sachen sind in der Kammer eingeschlossen. Ich habe kein Geld und kein Telefon. Nicht mal einen Schlüssel zu einer der Wohnungen. Ich muss auf jeden Fall Kontakt zu Ika aufnehmen, um zu erfahren, was da draußen los ist. Vielleicht haben sie ja inzwischen unsere Wohnung aufgespürt?
    Auf dem Flur erschienen neue Besucher. Eine kräftige große Blondine in kurzem Lederrock und strassbesetzten Stiefeln und ein farbloses Männlein in einem langweiligen Anzug und mit einem Diplomatenkoffer. In der Blondine erkannte Mark Natascha, die Frau des alten Nikonow.
    Die Ärztin kam aus ihrem Zimmer, entdeckte Natascha und ging ihr entgegen.
    »Guten Tag, Doktor Filippowa!« Natascha verzog die Lippen zu einem zuckersüßen Lächeln. »Wir wollen gerade zu Ihnen. Das hier ist der Notar, wir haben darüber gesprochen, wegen des Testaments, Sie erinnern sich?«
    »Guten Tag, Natascha. Daraus wird heute leider nichts. Ihrem Mann geht es schlechter.«
    Nataschas Lächeln wurde zur Grimasse.
    »Sie wollen sagen, Pawel ist im Moment geschäftsunfähig?«, mischte sich der Notar ein.
    »Ja. Kommen Sie lieber in einer Woche wieder. Entschuldigen Sie, ich muss.«
    »Einen Moment noch«, zischte Natascha und versperrte ihr den Weg. »Sie haben doch gesagt, er ist geschäftsfähig, Sie wollten ihn sogar entlassen.«
    Die Patienten scharten sich um die drei – das hier war interessant.
    »Ich, ich will entlassen werden! Ich will nach Hause!«, rief ein dünner kleiner Mann um die vierzig in einem Krankenhauspyjama.
    »Wohin sollen sie dich denn entlassen?« Ein beleibter alter Mann in einem guten Jogginganzug klopfte dem Kleinen auf die Schulter. »Du hast kein Zuhause, du bist obdachlos, sie haben dich auf dem Kursker Bahnhof aufgelesen.«
    Mark entdeckte, dass die Tür zu Doktor Filippowas Zimmer ein Stück offen stand. Das Zimmer war leer – das Schauspiel im Flur zog alle magisch an. Er schlüpfte vorsichtig hinein, stürzte zum Telefon und wählte Ikas Handynummer.
    »Nun geh schon ran, wach auf, geh ran!«
    Es piepste im Hörer.
    »Hallo!«, rief Mark im Flüsterton. »Hallo, Ika!«
    »Nein« – Ikas Stimme klang seltsam –, »Sie haben sich verwählt.«
    »Ich bin’s. Hör mir gut zu.«
    »Nein, das bin ich nicht, Sie sind falsch verbunden.«
    »Spinnst du? Ich bin’s!«
    »Sind Sie taub? Ich sage doch, Sie haben sich verwählt. Rufen Sie nicht mehr hier an, klar? Rufen Sie

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