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In ewiger Nacht

In ewiger Nacht

Titel: In ewiger Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Du bist ganz in der Nähe. Nein, du bist nicht der Karussellfahrer, das wäre zu einfach. Aber es gibt eine Verbindung zwischen euch.«
    Die Tür ging auf, draußen stand eine Schwester.
    »Olga, Sie werden auf der Frauenstation gebraucht, dringend. Dort wurde ein Mädchen aus der Unfallklinik eingeliefert, ein Selbstmordversuch. Achtzehn Jahre alt. Sie sollen sie untersuchen.«
     
    »Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!«
    Mark wusste nicht, ob er selbst das murmelte oder ob Nikonow seine Leier wieder aufgenommen hatte. Der Alte war aus dem Flur zurückgekommen, hatte sich aufs Bett gesetzt, den Kopf gesenkt und die Hände vors Gesicht geschlagen. Er konnte ewig so sitzen, vor sich hin murmelnd oder sich vor und zurück wiegend wie ein Pendel.
    Mark rekapitulierte in Gedanken zum zehnten Mal die Ereignisse der letzten Tage.
    Vor über einer Woche, wohl am letzten Sonntag, war Mark nach einem Treff mit einem Kunden zum Abendessen in ein Restaurant gegangen. Im Vorgefühl eines Erfolgs bekam er immer enormen Appetit. Er war sich sicher: Der große graubärtige Mann, der an einem trüben Tag eine Sonnenbrille trug, war ein potentieller Stammkunde. Er war sehr rasch bereit gewesen, vom passiven Betrachten zu aktiven Handlungen überzugehen. Mark hatte gesehen, wie er sich quälte, verzehrt von einer Leidenschaft, die in der modernen Zivilisation als schändlich, ja kriminell galt.
    »Was mögen Sie lieber, Jungen oder Mädchen?«
    Diese Frage stellte Mark stets gleich zu Anfang, bekam aber darauf nicht immer sofort eine Antwort. Seine Kunden waren schüchtern und verschlossen. Wenn sie sich mit ihm trafen, trugen sie dunkle Brillen oder klebten sich sogar einen Bart an. Der Bart von dem Kunden eben war bestimmt auch nicht echt. Aber die ganze Tarnung war beim Teufel, wenn sie den Wunsch äußerten, die Kinder kennenzulernen, die sie auf den Videos gesehen hatten. Solche Mädchen und Jungen wie Mark hatte keiner seiner Konkurrenten anzubieten.
    Die meisten Pornoproduzenten benutzten Obdachlose, meist Flüchtlingskinder. Sie arbeiteten für Essen, Drogen und ein kurzzeitiges Dach überm Kopf und sahen jämmerlich aus. Zudem hatten sie oft AIDS, Syphilis, Läuse, Krätze und Tuberkulose. Dabei waren die meisten Pädophilen begüterte, gebildete Männer mit hohen ästhetischen Ansprüchen und stets sehr vorsichtig.
    Mark lieferte exzellente Ware. Er hielt sich mit Recht für den Besten auf dem Kinderporno-Markt. Er arbeitete mit kleinen Profis, sie taten ihre Arbeit gern oder verstanden sich zumindest darauf, Lust vorzutäuschen. Er hatte sie alle selbst ausgebildet. Seinen Kunden garantierte er nicht nur Videos von höchster Qualität, sondern auch absolute hygienische Sicherheit, wenn sie den Wunsch nach unmittelbaren Kontakten äußerten.
    Als Mark im gemütlichen Halbdunkel des Restaurants wunderbare gebratene Spanferkelrippchen aß, dachte er an den neuen Kunden. Ja, an diesem schüchternen Herrn würde er ordentlich verdienen, denn er bevorzugte Mädchen.
    Ika und Shenja waren zuverlässiger als die Jungen. Sie verstanden sich darauf, einen Kunden an sich zu binden und ihn zu schröpfen. Die Jungen dagegen wurden schnell unsicher, besonders Stas, ein hübscher Halbwüchsiger, aber sehr nervös und dauernd mit seinen häuslichen Problemen beschäftigt. Wenn sein Vater mal wieder eine Saufphase hatte und die Mutter verprügelte, konnte Stas überhaupt nicht arbeiten. Einmal war er sogar einem Kunden weggelaufen. Hatte sich entschuldigt, er müsse nur einen Moment raus, und war nach Hause zu seiner misshandelten Mutter gerannt. Mark hatte sich bei dem Kunden entschuldigen und ihm einen Ersatz schicken müssen, Jegorka. Der war nicht so hübsch wie Stas und ein bisschen grob und primitiv, aber dafür fügsamer und gewissenhafter.
    Der neue Kunde hatte sich für Shenja entschieden. Am Ende des Gesprächs hatte er ihr Foto von der Internetseiteaus der Tasche gezogen, sich schüchtern geräuspert und erklärt, er würde dieses Mädchen gern kennenlernen. Mark hatte seine Wahl gebilligt und war erstaunt, als der Kunde sofort das Geld zückte – keinen Vorschuss, sondern die komplette Summe, und zwar gleich für zwei Treffen.
    Der Rucola-Salat mit Roquefort, Oliven und geröstetem Knoblauchbrot war ausgezeichnet. Mit Behagen verzehrte Mark das Geld für Shenja. Er konnte sich jetzt viel mehr leisten als früher. Sein Geschäft florierte, er würde bald an eine Aufstockung

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