In Ewigkeit verflucht
Aber es muss wohl etwas daran gewesen sein. Er lief Elisa ja nach in die Kirche. Und wenig später hat er sie dann völlig verstört mit seiner Axt verlassen. Bestimmt hat er sie umbringen wollen. Dazu ist es dann nicht gekommen, denn man hat an der Schneide kein Blut gefunden. Aber Reto war trotzdem so durcheinander, dass er in Behandlung musste.«
»Er hat also etwas Schreckliches in der Kirche erlebt.«
»Ja, Herr Sinclair.«
»Sprach er nie darüber?«
Vera Prager lehnte sich zurück. »Was soll ich Ihnen dazu sagen? Nichts Genaues weiß man. Er redete nicht viel. Zumindest nichts mit uns. Wir können uns auch nur auf Gerüchte verlassen. Da war die Rede von einem Skelett, von einem Licht, und mehr weiß ich eigentlich auch nicht.«
Warm schien mir die Sonne in den Nacken. Ich drehte mich zusammen mit dem Stuhl etwas zur Seite und kam auf Elisa Satelli zu sprechen. Ich wollte wissen, was mit ihr passiert war und wo wir sie finden konnten.
»Nirgendwo.«
»Bitte?«
»Ja, was ich Ihnen soeben sagte. Man kann sie nirgendwo finden. Sie ist weg, verschwunden. Man hat sie in Celerina nicht mehr gesehen Das ist das eigentliche Rätsel. Die Polizei hat auch nach ihrer Leiche gesucht, vergebens.«
»Was sagte Reto?«
»Er konnte auch nicht helfen.«
»Haben Sie denn eine Ahnung, wo diese Elisa sein könnte?«, erkundigte sich Bill.
»Nein, das habe ich nicht.«
»Aber sie hat hier gewohnt...«
Vera Prager schüttelte den Kopf. »Ja und nein.« Jetzt musste sie lachen. »Es ist schwer zu verstehen. Elisa lebte hier in Celerina, aber sie war eine Fremde. Sie kam aus dem Tessin. Sie hat sich hier niedergelassen und ein winziges Geschäft eröffnet, in dem sie kleine kunstgewerbliche Gegenstände verkaufte. Bilder, Decken, Tischtücher, Wandbehänge. Auch Gläser und Porzellan. Schmuck war ebenfalls dabei. Alles sehr sortiert und nicht kitschig. Der kleine Laden liegt dem Bahnhof gegenüber. Jetzt ist er natürlich geschlossen.«
»Hatte sie Verwandte oder Freunde hier?«
»Nein Herr Conolly. Auf keinen Fall. Elisa war ziemlich allein, und das wollte sie wohl auch bleiben. Bis sie dann Reto Kirchner kennen lernte. Die beiden wurden ein Paar. Im Ort sagte man, dass sie viel zu hübsch für den Mann war. Davon ist die Liebe ja nicht abhängig.«
»Hat sie ihren Verlobten denn betrogen?«
»Keine Ahnung. So etwas passiert immer mal. Wir alle sind nur Menschen, das wissen Sie.«
»Sicher können Sie nicht sein.«
»Richtig. Man hat dieses Gerücht gestreut. Da war auch Neid im Spiel. Einige junge Männer aus dem Ort sind sicherlich sauer gewesen, weil sich die schöne Elisa für Reto entschieden hat. Sie kamen nicht darüber hinweg. Ist fast wie in einem schlechten Heimatroman. Was dann genau in der Kirche passierte, das wissen wir nicht. Reto Kirchner muss ausgesehen haben, als wäre ihm der Leibhaftige persönlich begegnet. Ansonsten ist hier aus Celerina niemand involviert worden. Ich glaube auch nicht, dass Sie große Chancen haben, diesen Fall aufzuklären, denn die Bewohner hier sind recht verschlossen, wenn es um ihre Privatangelegenheiten geht.«
»Das weiß ich«, sagte Bill und genoss wieder einige Schlucke von seinem Drink. Trotzdem müssen wir einfach am Ball bleiben.« Er lächelte etwas verlegen. »Diese Tat oder Nichttat ist die eine Seite, es gibt noch eine zweite, hoffe ich jedenfalls. Wenn Sie mal nachdenken, Frau Prager, haben Sie vielleicht in den letzten Wochen irgendwelche Veränderungen hier in Celerina erlebt? Sind Ihnen Menschen begegnet, die Sie nicht kannten? Recht junge Menschen. Von Urlaubern einmal abgesehen.«
Vera Prager krauste die Stirn. »Das ist keine leichte Frage, Herr Conolly.«
»Ich weiß.«
»Mein Mann und ich sind hier sehr beschäftigt. Wir hatten auch eine Zwischensaison, in der nicht viel Betrieb herrschte. Da sind schon Fremde aufgefallen.«
»Junge Leute?«
Sie nickte nachdenklich. »Kann man sagen.«
»Und wo wurden sie gesehen?«
Mit dem Nagel des Zeigefingers fuhr sie über den Nasenrücken hinweg. »Nicht direkt im Dorf. Etwas außerhalb an der Kirche und auf dem kleinen Friedhof. Dort sind einigen Zeugen die Personen aufgefallen, als sie um die Kirche herumschlichen oder über den Friedhof gingen. Hört man. Ich selbst habe da nichts gesehen.«
»Friedhof?«, fragte ich gedehnt.
»Ja. Der von Celerina. Er ist nicht groß und liegt etwas erhöht. Manchmal haben wir hier Hochwasser, aber bis zum Friedhof ist das Wasser nie gestiegen.«
»Können es
Weitere Kostenlose Bücher