In feinen Kreisen
auszusprechen.
Hester saß eine Weile schweigend da und nippte an ihrem Tee.
»Ich glaube nicht, dass Cleo Anderson jemanden aus Profitgier getötet oder sich als Komplizin für ein solches Verbrechen hergegeben hätte«, sagte sie endlich. »Ich bin immer noch der Meinung, dass wir ihr helfen sollten.«
»Tatsächlich?« Er sah sie so eindringlich an, wie seine Müdigkeit und Resignation es zuließen. »Bist du dir sicher, dass du nicht in Wirklichkeit eine Aufsehen erregende Gerichtsverhandlung willst, um den Menschen die Not von Männern wie John Robb vor Augen zu führen, die alt und krank und von allen vergessen sind?«
Sie holte bereits Luft, um diesen Vorwurf entrüstet von sich zu weisen, ließ es dann aber bleiben.
»Nun, ich hätte nichts dagegen, wenn etwas die Menschen auf diese Misere aufmerksam machen würde«, räumte sie ein.
»Aber ich hatte nicht die Absicht, Cleo zu benutzen. Ich glaube, sie hat die Medikamente gestohlen, um sie Menschen zu geben, die sie brauchten, nicht weil sie selbst davon profitieren wollte, und wenn sie James Treadwell tatsächlich getötet hat, hat er sein Schicksal selbst herausgefordert.«
»Und seit wann ist es rechtens, darüber zu befinden, ob jemand den Tod verdient oder nicht?«
Sie funkelte ihn wütend an.
Er lächelte und stand langsam auf. Es kostete ihn einige Mühe, weil seine Müdigkeit noch zugenommen hatte.
»Was sollen wir tun?« Sie stand ebenfalls auf und kam auf ihn zu, so als wolle sie ihm den Weg verstellen. »Sie besitzt kein Geld. Sie kann sich keinen Rechtsanwalt leisten, erst recht keinen guten! Und jetzt, da Miriam ebenfalls im Gefängnis ist, hat sie niemanden mehr, der ihr beisteht. Du kannst wohl kaum erwarten, dass Lucius Stourbridge das tut!«
Er wusste, was sie wollte: Dass sie Oliver Rathbone aufsuchten, um ihn zu überreden, sein beträchtliches Talent zur Verteidigung von Cleo Anderson einzusetzen – und das noch dazu unentgeltlich. Um ihrer früheren Freundschaft willen - Liebe wäre, zumindest aus Rathbones Sicht, auch kein unpassendes Wort gewesen – würde Hester es wahrscheinlich besser finden, wenn Monk ihn um diesen Gefallen bat. Rathbone sollte nicht den Eindruck haben, sie missbrauche seine Gefühle für ihn.
Oliver Rathbone aber war der letzte Mensch, den Monk um einen Gefallen bitten wollte, ganz egal für wen. Hatte er Schuldgefühle, weil er Hester gebeten hatte, ihn zu heiraten, bevor Rathbone es tat, wohl wissend, dass Rathbone sie ebenfalls liebte?
Einfach lächerlich! Rathbone hatte seine Chance gehabt und sie nicht ergriffen… aus welchen Gründen auch immer. Dafür war nicht Monk verantwortlich.
Aber manchmal kam ihm der Verdacht, dass Rathbone vielleicht doch der bessere Ehemann gewesen wäre. Tief in seinem Innern lauerte die Angst, dass Rathbone sie glücklicher gemacht hätte, dass er ihr mehr hätte geben können als Monk es jemals vermochte – nicht nur materielle Sicherheit oder gesellschaftliche Stellung, sondern auch emotionale Ausgeglichenheit. Außerdem wäre ihr seine Vergangenheit bekannt gewesen. Es gab keine weißen Flecken in seinem Leben.
Sie wartete auf eine Antwort, die Stirn gefurcht, das Kinn ein wenig vorgereckt, weil sie wusste, dass es ihm widerstrebte, auch wenn sie seine Gründe dafür nicht kannte.
»Ich denke, wir sollten Rathbone um seine Meinung fragen«, sagte er leise und sehr deutlich. »Und wenn er zustimmt, um seine Hilfe. Er übernimmt ja ab und zu aussichtslose Fälle, wenn sie interessant genug sind. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn überreden können, sich dieser Angelegenheit anzunehmen.« Er lächelte, obwohl seine Mundwinkel nach unten zeigten. »Und das Erscheinen von Sir Oliver Rathbone vor Gericht, um eine Krankenschwester zu verteidigen, der Mord und Diebstahl zur Last gelegt werden, würde gewiss dafür sorgen, dass die Zeitungen dem Fall alle Aufmerksamkeit schenken, die wir uns nur wünschen können.«
Sie lächelte, und ihr Körper entspannte sich.
»Ich danke dir, William. Ich wusste, dass du das sagen würdest.«
Er selbst hatte es nicht gewusst, aber wenn sie eine so hohe Meinung von ihm hatte, würde er ihr gewiss nicht widersprechen.
»Und jetzt geh schlafen«, drängte sie ihn. »Ich wecke dich rechtzeitig, um in die Vere Street zu fahren, damit wir noch heute mit Oliver sprechen können.«
Er brummte etwas Unverständliches, dass es morgen immer noch früh genug wäre, und verließ den Raum.
Es widerstrebte Monk, ohne Anmeldung bei
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