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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Indizien?«, fragte Rathbone. Seine Miene hatte sich bereits verdüstert.
    »Keine, die Anklage stützt sich ganz auf Motiv und Gelegenheit. Die Waffe ist ebenfalls nicht aufgefunden worden. Aber das ist noch nicht alles…«
    Rathbones Augen weiteten sich. »Ist da noch mehr?«
    »Und noch Schlimmeres«, erwiderte Monk. »Vor etwa zwanzig Jahren fand Mrs. Anderson ein zutiefst verstörtes Mädchen von etwa zwölf oder dreizehn Jahren. Sie nahm es bei sich auf und behandelte es wie ihre eigene Tochter.« Er sah das neuerliche Aufblitzen von Interesse in Rathbones Augen.
    »Miriam wuchs bei ihr auf und ging später eine Ehe ein, die ihr ein sorgloses Leben ermöglichte«, fuhr er fort. »Dann wurde sie Witwe und verliebte sich nach einiger Zeit leidenschaftlich in Lucius Stourbridge, einen wohlhabenden jungen Mann aus angesehener Familie. Stourbridge erwiderte ihre Gefühle mit noch größerer Leidenschaft. Sie verlobten sich mit Billigung seiner Eltern. Dann, eines Tages, verließ sie plötzlich und ohne einen Grund zu nennen mit besagtem Kutscher das Haus der Stourbridges in Richtung Hampstead Heath.«
    »Ich nehme an, dies geschah am Tag seines Todes«, bemerkte Rathbone mit einem angespannten kleinen Lächeln.
    »Ganz richtig«, pflichtete Monk ihm bei. »Zuerst wurde sie des Mordes an ihm beschuldigt, aber sie war weder bereit, über ihre Flucht zu sprechen, noch über ihre Gründe oder darüber, was geschehen war. Sie bestritt allerdings, ihn getötet zu haben, ansonsten hüllte sie sich in Schweigen.«
    »Und dann kam es doch nicht zur Anklage?«, wollte Rathbone wissen.
    »Doch, sie wurde angeklagt! Als sich dann jedoch bei der Krankenschwester ein weitaus besseres Motiv fand, wurde Miriam Gardiner freigelassen.«
    »Und das Schlimmste, das, was Sie mir bisher noch vorenthalten haben?«, fragte Rathbone.
    Monks Schultern strafften sich. »Vergangene Nacht erhielt ich eine Nachricht von dem jungen Polizisten, der mit dem Fall betraut ist – zufällig ist sein Großvater einer der Patienten, für die die Krankenschwester die Medikamente gestohlen hatte –, in der er mich bat, in das Haus der Stourbridges am Cleveland Square zu kommen, wo soeben die Mutter des jungen Mannes, der mit Miriam verlobt ist, ermordet aufgefunden worden war … und es scheint, als sei sie auf genau die gleiche Weise ermordet worden wie der Kutscher in Hampstead Heath.«
    Rathbone schloss die Augen. »Ich hoffe, das ist jetzt alles?«
    »Noch nicht ganz«, antwortete Monk. »Sie haben Miriam verhaftet und beschuldigen sie des Mordes an Stourbridges Mutter. Man geht davon aus, dass Miriam und Cleo aus Habgier Komplizinnen bei dem Mord an Treadwell waren. Die Familie verfügt über ein beträchtliches Vermögen und große Ländereien.«
    Rathbone öffnete die Augen und sah Monk durchdringend an.
    »Sind wir damit beim gegenwärtigen Stand der Dinge?«
    »Ja.«
    An dieser Stelle ergriff zum ersten Mal Hester das Wort. Sie beugte sich ein wenig vor und ihre Stimme klang eindringlich.
    »Bitte, helfen Sie, Oliver. Ich weiß, dass man für Miriam nur noch wenig tun kann, außer vielleicht darauf zu plädieren, dass sie nicht bei Verstand sei. Aber Cleo Anderson ist eine gute und aufrichtige Frau. Sie hat die Medikamente genommen, um alten und kranken Menschen zu helfen, die kaum genug Geld zum Leben haben. John Robb, der Großvater des Polizeibeamten, hat bei Trafalgar gekämpft – auf der Victory! Er und viele andere Männer in seiner Lage verdienen es nicht, dass man ihre Schmerzen nicht lindert und sie so unwürdig sterben lässt. Sie haben ihren Kopf hingehalten, als wir in Gefahr waren!«
    »Ich weiß!« Rathbone hob seine Hand. »Das ist mir alles bekannt, meine Liebe. Sie brauchen mich nicht zu überzeugen. Und die Geschworenen würden sich vielleicht auch von solchen Dingen beeinflussen lassen, aber ein Richter nicht. Seine Frage würde lediglich lauten: Hat sie ihn getötet oder nicht. Und was ist mit dieser anderen Frau, der jüngeren? Welchen Grund könnte sie gehabt haben, ihre zukünftige Schwiegermutter zu ermorden, welches Motiv?«
    »Wir wissen es nicht«, sagte Hester hilflos. »Sie weigert sich, etwas zu sagen.«
    »Ist sie sich darüber im Klaren, dass sie, wenn man sie für schuldig befindet, hängen wird?«
    »Man hat es ihr gesagt«, erwiderte Monk. »Ob sie jedoch in ihrem gegenwärtigen Zustand die Bedeutung dieser Worte begreift, da bin ich mir nicht sicher. Ich war dabei, als man sie verhaftete. Sie schien wie

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