In feinen Kreisen
gemeinsam mit Fällen zu tun gehabt, die hoffnungslos schienen. Er konnte sie in Gedanken alle auflisten. Aber in diesem einen Fall hatte er absolut nichts in der Hand, und er wusste nicht einmal, was er selbst glauben sollte. Es fiel ihm immer noch schwer, eine der Frauen, sei es nun Cleo oder Miriam, für schuldig zu halten, geschweige denn beide. Aber wer sonst konnte die Morde begangen haben – außer vielleicht Lucius oder Harry Stourbridge. Alles hing davon ab, dass Monk etwas herausfand. Wenn er nur wüsste, wo er beginnen sollte. So könnte er vielleicht die Verhandlung zwei oder drei Tage hinausziehen.
Er verbrachte den Abend damit, sich Strategien auszudenken, die Monk mehr Zeit verschaffen würden. Er dachte über jeden einzelnen Kniff, jede mögliche juristische Finesse nach. Nicht eine einzige Idee versprach Aussicht auf Erfolg.
Tobias rief als seinen ersten Zeugen des Vormittags Harry Stourbridge auf. Er behandelte ihn mit großem Respekt und Mitgefühl.
Viele Plätze blieben an diesem Tag im Gerichtssaal leer! Die Öffentlichkeit hatte das Interesse an dem Fall verloren. Die Menschen glaubten die Antwort zu kennen: eine hübsche Frau, die ihrem Glück auf unlautere Art und Weise auf die Sprünge helfen wollte. Das Ganze war nicht länger skandalös, sondern einfach nur noch schäbig. Es war ein Tag im späten Sommer, die Sonne schien und man hatte Besseres zu tun, als in einem stickigen Saal zu sitzen und sich Dinge anzuhören, die man zur Genüge kannte.
Harry Stourbridge sah um zehn Jahre gealtert aus. Er war ein Mann, der einen Albtraum durchmachte, dessen Ende für ihn nicht absehbar war.
»Es tut mir Leid, dass ich Sie dem hier aussetzen muss«, sagte Tobias sanft. »Ich werde es so kurz wie möglich machen, und ich bin überzeugt, dass Sir Oliver es genauso halten wird. Bitte, lassen Sie sich bei Ihren Antworten nicht von Loyalität oder Mitgefühl leiten. Zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort kann uns nur die Wahrheit weiterhelfen.«
Stourbridge schwieg. Er stand da wie ein Offizier vor dem Kriegsgericht, in steifer Habtachtstellung, den Blick starr nach vorn gerichtet, den Kopf hoch erhoben.
»Wir haben bereits genug über die Krocketparty gehört, von der Mrs. Gardiner geflohen ist. Ich will Ihnen die Mühe ersparen, all das zu wiederholen. Stattdessen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf den tragischen Tod von Mrs. Stourbridge lenken. Ich muss Ihnen Fragen stellen, was die Beziehung zwischen Ihrer Gattin und Mrs. Gardiner betrifft. Glauben Sie mir, ich würde es nicht tun, wenn es sich irgendwie vermeiden ließe.«
Noch immer sagte Stourbridge kein Wort.
Dieser Umstand schien Tobias ein wenig aus dem Konzept zu bringen. Rathbone sah, wie er von einem Fuß auf den anderen trat und an seinem Jackett herumzupfte.
»Welche Meinung hatte Mrs. Stourbridge von Mrs. Gardiner, als Ihr Sohn sie das erste Mal zum Cleveland Square brachte?«
»Sie hielt sie für eine sehr angenehme junge Frau.«
»Und als Ihr Sohn sie über seine Absicht in Kenntnis setzte, sie heiraten zu wollen?«
»Wir waren beide glücklich, dass er eine Frau gefunden hatte, die er liebte und von der er glaubte, dass sie seine Gefühle aus vollem Herzen erwidere.«
Tobias schürzte die Lippen. »Sie waren nicht bekümmert über die Tatsache, dass sie beträchtlich älter war als er selbst und aus einer anderen Gesellschaftsschicht stammte? Was haben Sie gedacht, wie Ihre Freunde die junge Frau aufnehmen würden?
Wie würde sie es später, wenn es einmal so weit war, bewältigen, Herrin Ihrer beträchtlichen Besitztümer in Yorkshire zu werden? Hat Ihre Gattin nicht über diese Probleme gesprochen?«
»Selbstverständlich«, gab Stourbridge zu. »Aber als wir Mrs. Gardiner dann näher kannten, waren wir davon überzeugt, dass sie ihre Sache sehr gut machen würde. Sie verfügt über eine natürliche Anmut, die ihr in schwierigen Situationen helfen dürfte. Und sie und Lucius – die beiden liebten einander so offenkundig, dass uns das sehr glücklich machte.«
»Und dann die Frage von Enkelkindern, von einem Erben für das Haus und die Ländereien, die Erbgüter mit festgelegter Erbfolge sind, wenn ich mich nicht irre. Ohne einen Erben würden sie an eine Seitenlinie fallen, an Ihren Bruder und an dessen Erben, ist das richtig?«
»Ja, so ist es.« Er holte tief Luft, die Arme noch immer steif an den Seiten, als nehme er an einer Parade teil. »Keine Ehe ist davor gefeit, ohne einen Erben zu bleiben. Man kann nur
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