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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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angesprochen oder ihr etwas gegeben?«
    »Sie meinen ein Glas, Sir? Ich habe niemanden gesehen.«
    »Nein, ich meinte eher etwas wie eine Nachricht, etwas, das ihr Erschrecken erklären würde, ihr Entsetzen, so wie Sie es beschreiben.«
    »Nein, Sir, so nah ist ihr überhaupt niemand gekommen. Und ich glaube nicht, dass sie ein Glas in der Hand hielt.«
    »Was das Glas betrifft, sind Sie sich nicht ganz sicher, aber Sie können mit Gewissheit sagen, dass niemand Mrs. Gardiner angesprochen oder ihr etwas gereicht hat?«
    »Ja, das weiß ich genau.«
    »Haben Sie eine Ahnung, was Mrs. Gardiner bewogen haben könnte wegzulaufen?«
    Tobias stand auf.
    »Nein«, beschied ihn der Richter schroff. »Miss Pembroke ist eine aufmerksame junge Dame. Es könnte durchaus sein, dass sie weiß, was geschehen ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Dienstboten häufig sehr viel mehr wissen als wir glauben.« Er wandte sich dem Zeugenstand zu. »Wissen Sie, was Mrs. Gardiners Flucht ausgelöst hat, Miss Pembroke? Wenn ja, ist dies der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort, um es zu sagen, sei es vertraulich oder nicht.«
    »Nein, Sir, ich weiß es nicht, und das ist die Wahrheit. Aber ich habe noch nie jemanden gesehen, der so erschrocken aussah wie Mrs. Gardiner an jenem Tag. Als hätte sie einen Geist gesehen, jawohl.«
    »Wissen Sie, wo Treadwell sich während des Gartenfestes aufhielt?«, fragte Rathbone.
    »In den Ställen, Sir, so wie immer.«
    »Dann ist also Mrs. Gardiner zu ihm gelaufen – er ist nicht zu ihr gekommen?«
    »So muss es gewesen sein.«
    »Danke. Ich habe keine weiteren Fragen an Sie.«
    »Aber ich!«, warf Tobias rasch ein und ging dann mit langen Schritten auf den Zeugenstand zu. »Sie haben sich in Ihrer Eigenschaft als Stubenmädchen auf der Wiese unter die Gäste gemischt, nicht wahr?«
    »Ja, Sir. Ich trug ein Tablett mit Limonade. Parkin hatte den Champagner.«
    »Ist es leicht, ein Tablett voller Gläser zu tragen?«
    »Es geht schon, wenn man dran gewöhnt ist. Wird mit der Zeit ein bisschen schwer.«
    »Und Sie haben die Gäste bedient, deren Gläser leer waren?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann haben Sie also Mrs. Gardiner nicht die ganze Zeit beobachtet?«
    »Nein, Sir.«
    »Natürlich. Wäre es möglich, dass sie eine Nachricht bekommen hat, entweder schriftlich oder mündlich, ohne dass Sie es bemerkten?«
    »Ja, wahrscheinlich schon.«
    »Ist es denkbar, Miss Pembroke, dass dies die beste Gelegenheit für Mrs. Gardiner war, Treadwell allein anzutreffen, ohne dass andere Verpflichtungen ihn davon abgehalten hätten, sie nach Hause zu fahren? Ist es denkbar, Miss Pembroke, dass sie über ausreichende Kenntnis des Haushalts verfügte, um zu wissen, dass sie Treadwell in den Ställen vorfinden würde? Wo auch die Kutschen bereitstanden? Ist es denkbar, dass sie im Voraus geplant hatte, ihn dort zu treffen und an einen einsamen Ort zu fahren, wo sie glaubte, sie könnte mit dem Kutscher unbeobachtet tun, was ihnen beiden gefiel, und wo sie beabsichtigte, sich mit Hilfe ihrer Ziehmutter ein und für alle Mal des Mannes zu entledigen, der sie beide erpresste?«
    Rathbone sprang auf, aber der Protest erstarb auf seinen Lippen.
    Tobias zuckte mit den Schultern. »Ich habe nur gefragt, ob es möglich wäre!«, wandte er beschwichtigend ein. »Miss Pembroke ist eine aufmerksame junge Dame. Sie könnte etwas wissen!«
    »Ich weiß nichts!«, protestierte sie. »Ich weiß nicht, was geschehen ist, ich schwöre es!«
    »Ihre Geschwätzigkeit scheint Verwirrung hervorgerufen zu haben«, bemerkte der Richter in schneidendem Tonfall zu Tobias. Dann drehte er sich zu den Geschworenen um. »Sie werden zur Kenntnis nehmen, dass die Frage unbeantwortet geblieben ist, und Ihre eigenen Schlüsse ziehen. Sir Oliver, haben Sie noch etwas hinzuzufügen?«
    Rathbone verneinte, aber Tobias war nicht aufzuhalten. Seine volle Stimme schien den Gerichtssaal auszufüllen, und es gab kaum jemanden dort, der nicht seinen Blick auf ihn gerichtet hätte. Er rief die Zofe auf, die Miriam in Verona Stourbridges Zimmer entdeckt und gesehen hatte, wie Miriam den Schmuck anprobierte und allem Anschein nach das Tagebuch las.
    »Wissen Sie, was in dem Tagebuch stand?«, fragte Tobias.
    Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Entsetzen. »Nein, Sir, das weiß ich nicht!« Ihr Tonfall verriet Groll darüber, dass Tobias etwas Derartiges auch nur andeuten konnte.
    »Selbstverständlich nicht«, stimmte er ihr zu. »Niemand liest die privaten

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