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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Verhandlung.
    »Haben Sie irgendwelche weiteren Zeugen, Sir Oliver?«, fragte er.
    »Jawohl, Euer Ehren. Ich möchte Hester Monk in den Zeugenstand rufen.«
    Tobias warf ihm einen neugierigen Blick zu.
    Der Richter hob die Augenbrauen, hatte aber keine Einwände. Rathbone lächelte matt.
    Der Gerichtsdiener rief Hester auf.
    Sie trat in den Zeugenstand, müde und mit blassem Gesicht, aber absolut zuversichtlich. Sie drehte sich ganz bewusst in Richtung Anklagebank und nickte Cleo und Miriam zu. Dann wartete sie darauf, dass Rathbone mit seiner Befragung begann.
    Rathbone räusperte sich. »Mrs. Monk, waren Sie gestern im Gericht, als Mrs. Anderson von der außerordentlichen Geschichte berichtete, die Miriam Gardiner ihr erzählt hatte, als sie vor zweiundzwanzig Jahren in Hampstead Heath blutend und in einem verwirrten Zustand gefunden wurde?«
    »Ja, ich war zugegen.«
    »Haben Sie daraufhin etwas unternommen?«
    »Ja, ich habe mich auf die Suche nach der Leiche der Frau gemacht, deren Ermordung Miriam nach ihren eigenen Worten mit angesehen hatte.«
    Tobias stieß einen Laut aus, der Verächtlichkeit ausdrückte. Der Richter beugte sich fragend vor. »Sir Oliver, ist das nach dem derzeitigen Stand der Dinge wirklich von Bedeutung?«
    »Ja, Euer Ehren, von allergrößter Bedeutung«, antwortete Rathbone mit Befriedigung. Endlich spürte er eine gewisse Zuversicht, dass er doch noch nicht ganz die Waffen strecken musste. Jedenfalls war jetzt der gleichmütige Ausdruck von Tobias’ Gesicht verschwunden.
    »Dann erläutern Sie uns das bitte«, forderte ihn der Richter auf.
    »Ja, Euer Ehren. Mrs. Monk, haben Sie eine Leiche gefunden?«
    Im Gericht herrschte Stille, aber keine Erregung. Die Geschworenen hörten ihnen gelangweilt zu.
    »Ja, Sir Oliver, das habe ich.«
    Tobias sprang von seinem Stuhl auf. Die Zuschauer schnappten nach Luft.
    Der Richter beugte sich zu Hester hinüber. »Habe ich richtig gehört, Madam? Sie sagen, Sie hätten eine Leiche gefunden?«
    »Ja, Euer Ehren. Selbstverständlich war ich nicht allein. Sergeant Michael Robb hat mich begleitet. Es war übrigens er, der die Leiche fand.«
    »Das ist in der Tat eine ernste Sache!« Er sah sie stirnrunzelnd und mit angespannter Miene an. »Wo ist die Leiche jetzt, und was können Sie mir darüber sagen?«
    »Sie befindet sich im polizeilichen Leichenschauhaus in Hampstead, Euer Ehren, und ich habe sie genau in Augenschein genommen – als Krankenschwester, nicht als Arzt.«
    »Sie sind Krankenschwester?« Er war erstaunt.
    »Ja, Euer Ehren. Ich war auf der Krim.«
    »Gütiger Himmel.« Er sah sie mit großen Augen an. »Sir Oliver, Sie fahren besser fort. Aber bevor Sie das tun, möchte ich um Ruhe im Saal bitten! Fahren Sie fort.«
    »Vielen Dank, Euer Ehren.« Rathbone wandte sich wieder an Hester. »Wo haben Sie die Leiche gefunden, Mrs. Monk, wo genau?«
    »In einem hohlen Baum in Hampstead Heath«, antwortete sie.
    »Wir haben bei Mrs. Andersens Haus angefangen und sind von dort aus auf den Green Man Hill gegangen, um nach einer Stelle zu suchen, an der man eine Leiche verstecken konnte, immer vorausgesetzt, Mrs. Gardiners Geschichte entspricht der Wahrheit.«
    »Was veranlasste Sie dazu, in einem hohlen Baum zu suchen?«
    Es herrschte absolute Stille. Niemand bewegte sich.
    »Ein Vogelnest, das aus einer großen Menge menschlichen Haars bestand. Das Nest befand sich auf einem der unteren Zweige in einem Baum in der Nähe«, antwortete Hester. »Wir haben die ganze Umgebung abgesucht, bis wir den hohlen Baum fanden. Sergeant Robb ist hinaufgeklettert und hat das Loch gefunden. Natürlich ist das Gelände dort während der letzten zwanzig Jahre stark verwildert. Damals war der Baum wahrscheinlich einfacher zu entdecken und zu erreichen.«
    »Und die Leiche?«, hakte Rathbone nach. »Was können Sie uns darüber berichten?«
    »Es war nur noch ein Skelett. Die Kleider der Frau waren zum größten Teil verrottet; von ihrem Kleid waren nur noch Knöpfe übrig und die Stangen ihres… Korsetts. Ihre Stiefel befanden sich in einem schlechten Zustand, aber es war noch genug davon übrig, um sie zu erkennen. Sämtliche Knöpfe an den Stiefeln waren unversehrt und noch an dem befestigt, was von dem Leder übrig war. Es waren ungewöhnliche Stiefel von guter Qualität.«
    Sie stand reglos da und holte tief Luft, bevor sie weitersprach.
    »Nach dem Haar zu urteilen, das wir gefunden haben, muss es sich um eine Frau zwischen vierzig und sechzig gehandelt

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