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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und wann es passiert ist. Ich verstehe, dass Sie gern glauben möchten, Ihre Entdeckung lege Zeugnis für die Tugend der jungen Miriam Speake ab. Und Ihre Güte gereicht Ihnen zur Ehre, ebenso wie Ihre Loyalität, aber diese Dinge tragen nicht dazu bei, sie von dieser Anklage freizusprechen.« Er breitete die Hände aus, eine abschließende Geste, lächelte den Geschworenen zu und kehrte an seinen Platz zurück.
    Rathbone erhob sich und richtete sein Wort an Hester.
    »Mrs. Monk, Sie waren bei diesem Baum in der Heide und haben diese grauenvolle Entdeckung gemacht; daher kennen Sie die örtlichen Gegebenheiten, während wir uns auf unsere Phantasie beschränken müssen. Sagen Sie uns, ist es denkbar, dass die Frau sich diesen schrecklichen Schlag auf den Kopf irgendwie zugezogen und sich dann in dem Baum versteckt haben könnte?«
    »Nein, natürlich nicht!« Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel daran, wie lächerlich sie den Gedanken fand.
    »Sie wurde ermordet, und anschließend hat man ihre Leiche versteckt, und dieses Ereignis liegt so lange zurück, dass das Fleisch verwest und der größte Teil ihrer Kleider verrottet ist?« Rathbone wollte in diesem Punkt absolute Klarheit haben.
    »Ja.«
    »Und sie wurde durch einen gewaltigen Schlag auf den Kopf getötet, anscheinend auf genau die gleiche Art wie James Treadwell und Mrs. Stourbridge?«
    »Ja.«
    »Vielen Dank, Mrs. Monk.« Er wandte sich an den Richter.
    »Ich denke, Euer Ehren, dass dieser Beweis Mrs. Gardiners ursprünglicher Aussage ein Gutteil mehr Glaubwürdigkeit verleiht und dass es im Interesse der Gerechtigkeit ist, wenn wir uns bemühen herauszufinden, wer die Frau war und ob ihr Tod etwas mit den Morden zu tun hat, die man Mrs. Gardiner und Mrs. Anderson zur Last legt.«
    Der Richter sah zu Tobias hinüber.
    Dieser hatte sich bereits erhoben. »Ja, Euer Ehren, selbstverständlich. Mr. Campbell hat mir zu verstehen gegeben, dass er bereit ist, abermals auszusagen und zu erklären, was er erklären kann, falls das dem Gericht von Nutzen ist. Da das Geschilderte bei gewissen Personen Argwohn wecken könnte, was seine eigene Rolle in dieser Sache betrifft, bittet er darum, noch einmal das Wort ergreifen zu dürfen.«
    »Das wäre sicher wünschenswert«, pflichtete der Richter bei.
    »Bitte, lassen Sie Mr. Campbell noch einmal in den Zeugenstand treten.«
    Aiden Campbell sah müde aus, während er abermals die Stufen hinaufging, aber Rathbone, der ihn beobachtete, konnte keine Angst bei ihm entdecken. Er blickte traurig, aber ohne jegliche Unsicherheit in den Saal, und seine Stimme war vollkommen ruhig, als er Tobias’ Fragen beantwortete.
    »Nein, ich habe keine Ahnung, wer das bedauernswerte Geschöpf ist, und ich weiß auch nicht, wie lange sie dort gelegen hat. Der Zustand von Leiche und Kleidung scheint darauf hinzudeuten, dass es mindestens zehn Jahre gewesen sein müssen, seit sie dort lag.«
    »Haben Sie eine Vorstellung, wie die Frau zu Tode gekommen sein könnte, Mr. Campbell?«, hakte Tobias nach.
    »Nicht die geringste, nur dass man sich nach Mrs. Monks Beschreibung der Wunde im Schädel unwillkürlich an die Verletzungen erinnert, die Treadwell zugefügt wurden und…« Er zögerte, und diesmal war er nah daran, die Fassung zu verlieren, »… und meiner Schwester…«
    »Bitte«, sagte Tobias beschwichtigend. »Lassen Sie sich Zeit, Mr. Campbell. Hätten Sie gern ein Glas Wasser?«
    »Nein – nein, vielen Dank.« Campbell richtete sich auf. »Ich bitte um Verzeihung. Ich wollte sagen, dass der Tod dieser Frau möglicherweise eine Verbindung zu den anderen Fällen hat. Vielleicht war sie ebenfalls Krankenschwester, und vielleicht ist sie auf die Medikamentendiebstähle im Krankenhaus gestoßen und hat entweder gedroht, die Behörden zu verständigen, oder sich als Erpresserin versucht…« Er brauchte den Satz nicht zu beenden; die Bedeutung seiner Worte war nur allzu klar.
    »Ganz recht.« Tobias neigte den Kopf, dann drehte er sich mit einem kleinen Lächeln noch einmal zu den Geschworenen um, bevor er zu seinem Tisch zurückging.
    Auf der Galerie herrschte tiefes Schweigen. Aller Augen waren auf Rathbone gerichtet. Die Menschen warteten gespannt darauf, was er jetzt tun würde.
    Er sah sich um, spielte auf Zeit und hoffte, dass ihm etwas einfiel und man ihm seine Verzweiflung nicht allzu deutlich anmerkte. Sein Blick fiel auf Harry Stourbridge, der mit bleichem, ernstem Gesicht dasaß und ihn hoffnungsvoll ansah. Lucius neben ihm war wie

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