In feinen Kreisen
Nase, aber mehr als die Hälfte davon versäuft er.«
»Wem sagst du das! Mein Bert ist auch so einer. Trotzdem hat er den Joe Pake neulich grün und blau geschlagen und ist für ‘ne Weile in ‘n Bau gegangen. Ich vermiss ihn nicht! Gibt’s noch mehr von dem Eingemachten? Ich hab ‘n Riesenhunger. Danke.«
Hester hatte hundert solcher Gespräche mit angehört – kleine Begebenheiten im Leben von Frauen, in deren Obhut man ängstliche Menschen gab, nachdem der Chirurg versucht hatte, sie von ihren Schmerzen zu befreien.
»Vielleicht, wenn ich mit Zahlen aufwarten könnte?«, sagte Hester, halb zu sich selbst, halb zu Callandra. »Ich könnte Thorpe beweisen, welchen praktischen Nutzen es hätte, den Frauen eine gewisse Ausbildung zu ermöglichen! Ich weiß, es würde mehr kosten, aber Geld ist doch nur ein Vorwand.« Sie suchte nach überzeugenden Argumenten, nach der Schwachstelle in seinem Panzer. »Wenn er glaubte, man würde es ihm als Verdienst anrechnen… wenn sein Krankenhaus einen besseren Ruf hätte als andere…«
Callandra blickte von ihrem Teller auf. »Das hab ich schon versucht.« Eine Haarsträhne löste sich aus den Nadeln, und sie strich sie sich achtlos aus dem Gesicht. »Ich dachte, ich könnte ihn bei seiner Eitelkeit packen. Nichts gefiele ihm besser, als Dr. Gilman im Guy’s zu übertreffen. Aber er bringt nicht den Mut auf, etwas zu versuchen, dessen er sich nicht ganz sicher ist. Wenn er Geld ausgeben müsste, ohne gleich Ergebnisse zu sehen…« Sie ließ den Rest ungesagt. Sie hatten diese Argumente schon so viele Male erörtert. Sie wollten den Mann von etwas überzeugen, das er gar nicht wissen wollte.
»Das heißt, wir müssen wohl noch mehr Briefe schreiben«, meinte Hester müde und nahm sich noch eine Scheibe Brot.
Callandra nickte mit vollem Mund. Dann schluckte sie den Bissen hinunter. »Was macht William?«
»Sich langweilen«, erwiderte Hester mit einem Lächeln. »Er sehnt sich nach einem Fall, bei dem er sich die Zähne ausbeißen kann.«
Als Hester ihr Haus in der Fitzroy Street erreichte, war es kurz nach sieben Uhr abends. Monk erwartete sie bereits. Müdigkeit zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, aber nichts konnte seine Freude verbergen, sie zu sehen. Sie selbst fand den Umstand, mit ihm verheiratet zu sein, nach wie vor erstaunlich; jedes Wiedersehen verursachte Herzklopfen, und ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf, wenn sie daran dachte, dass sie jetzt hierher gehörte, in seine Wohnung, dass sie, wenn es Abend wurde, nicht gehen musste, im Ungewissen darüber, wann sie ihn das nächste Mal sah. Sie mochten zu verschiedenen Zeiten schlafen gehen, aber sie wusste, dass sie die ganze Nacht zusammen sein und am Morgen Seite an Seite erwachen würden. Ihr fiel nicht einmal auf, dass sie bei dem Gedanken daran lächelte, sie nahm nur das Gefühl von Wärme wahr, das jetzt immer in ihr war und alles erhellte wie Sonnenschein, der auf eine Landschaft fiel.
Als er aufstand, um sie zu begrüßen, küsste sie ihn und spürte, wie seine Arme sich um sie schlossen. Die Sanftheit seiner Berührung überraschte ihn selbst noch mehr als sie.
»Was gibt es zum Abendessen?«, fragte er sie, nachdem er sie losgelassen hatte.
Es war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass sie für ihn kochen musste. Sie hatte, wie es ihre Gewohnheit war, im Hospital gegessen. Ansonsten war sie mit ihren Gedanken bei den verschwundenen Medikamenten und der Halsstarrigkeit Thorpes gewesen.
Natürlich gab es in ihrer kleinen Küche etwas zu essen, aber was immer es war, musste erst noch gekocht werden. Aber auch das würde nur eine Dreiviertelstunde dauern, und sie konnte sich nicht vorstellen, so bald schon wieder etwas zu sich zu nehmen. Aber – wie hätte sie ihm das begreiflich machen können? Es war unentschuldbar, dass sie ihn einfach vergessen hatte!
Sie wandte sich ab, und ihre Gedanken überschlugen sich.
»Wir haben noch etwas kaltes Hammelfleisch. Möchtest du vielleicht etwas Gemüse dazu essen? Und Kuchen ist auch noch da.«
»Ja«, stimmte er ohne große Begeisterung zu. Hatte er von ihr erwartet, dass sie eine gute Köchin war? Er kannte sie doch sicher besser, als sich in dieser Beziehung große Hoffnungen zu machen? Ob er wohl glaubte, die Ehe würde sie wie durch Zauberhand in eine häusliche Frau verwandeln? Vielleicht tat er das ja wirklich.
Sie selbst hatte im Augenblick nur den einen Wunsch, sich auszuruhen und ihre Stiefel auszuziehen! Die Vorstellung, ungezählte
Weitere Kostenlose Bücher