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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sicher.«
    Hester hätte eigentlich nicht überrascht sein sollen, dennoch stieg Angst in ihr auf. Die Diebstähle erfolgten systematisch. Jemand entwendete alle ein oder zwei Tage Medikamente und das schon seit Monaten, möglicherweise sogar Jahren. Mit einem gewissen Maß an Diebstählen musste man in jedem Krankenhaus rechnen, aber dies überstieg doch das Normale um ein Vielfaches.
    »Weiß Mr. Thorpe schon davon?«, fragte sie leise.
    »Davon nicht, nein«, antwortete Callandra. »Es wird immer schlimmer.«
    Hester kam der verrückte Gedanke, dass man den Diebstahl vielleicht dafür benutzte, um Fermin Thorpe begreiflich zu machen, wie wichtig es war, Krankenschwestern auszubilden und entsprechend zu entlohnen. Dann überlegte sie, dass ein solcher Schritt nur zu einer gründlichen Ermittlung, vielleicht sogar Mithilfe der Polizei, führen würde. Und damit wäre niemandem gedient. Alle gegenwärtig beschäftigten Krankenschwestern, unschuldige wie schuldige, hätten darunter zu leiden und würden möglicherweise entlassen werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach könnte keine der Frauen ihre Ehrlichkeit beweisen. Das ganze Krankenhaus würde zur Untätigkeit verdammt sein und alle Arbeiten kämen zum Stillstand.
    »Er wird es bald genug herausfinden«, unterbrach Callandra ihre Gedanken. »Die Medikamente müssen ersetzt werden.«
    »Haben wir irgendeinen Anhaltspunkt, wer es gewesen sein könnte?« Hester suchte verzweifelt nach etwas Greifbarem, nach etwas, das sie tun konnten. »Wir haben achtundzwanzig Frauen hier, die unterschiedliche Arbeiten verrichten. Sie sind alle arm und nur wenige von ihnen können mehr als ein paar Worte lesen und schreiben, einige nicht einmal das. Die Hälfte der Frauen wohnt im Hospital, die andere Hälfte kommt und geht zu allen möglichen Tageszeiten. Die Apothekenräume sind abgeschlossen. Stiehlt die Betreffende die Schlüssel? Oder glauben Sie, sie kann das Schloss öffnen?«
    »Ich nehme an, dass Letzteres zutrifft«, erwiderte Callandra, ohne zu zögern. »Oder sie schleicht sich hinein, sobald der Apotheker einmal nicht hinsieht. Er ist so sorgfältig, wie man es sich nur wünschen kann.«
    »Aber er weiß, dass immer wieder Medikamente verschwinden?«
    »O ja. Er mag Thorpe genauso wenig wie wir anderen. Nun ja, fast genauso wenig. Er wird die Diebstähle nicht melden, so lange er es irgendwie vermeiden kann. Er weiß, welches Chaos das zur Folge hätte. Aber er kann die Dinge nicht mehr lange vertuschen.«
    Es klopfte an der Tür. Callandra öffnete, und Cleo stand vor ihnen. Sie sah sie mit einem höflichen, fragenden Ausdruck an.
    »Habt ihr zwei vielleicht Hunger?«, sagte sie gut gelaunt. »Wir hätten noch ein schönes Stück kaltes Rindfleisch und etwas Eingemachtes, wenn euch der Sinn danach steht? Und frisches Brot. Und dazu vielleicht ein Glas Portwein?«
    Bei der Erwähnung von Essen fiel Hester wieder ein, wie lange sie schon nichts mehr zu sich genommen oder sich ausgeruht hatte.
    »Ja«, nahm sie das Angebot dankbar an, »bitte.«
    Cleo deutete mit dem Kopf nach rechts. »Da entlang, meine Lieben, so wie immer.«
    Sie folgten ihr in den Aufenthaltsraum für das Personal und setzten sich an einen der schlichten Holztische. Überall um sie herum verzehrten andere Frauen mit Appetit ihre Mahlzeit, und die Portweingläser wurden noch häufiger zum Munde geführt als die Gabeln. Es wurde viel geplaudert, und hin und wieder fingen Callandra und Hester Bruchstücke der Gespräche auf.
    »…und eine Woche später war er tot, der arme Teufel. Aber was kann man da schon erwarten, wie? Es blieb nichts anderes übrig, als ihn aufzuschneiden. Die Operation ist schief gegangen. Ich hab’s kommen sehen.«
    »Ja. So geht das nun mal. Hier, nimm noch ein Glas Portwein.«
    »Danke dir. Ich bin so müde, dass mir fast die Augen zufallen. Ach ja, neulich hab ich den Hut versetzt, wie du mir geraten hattest. Einen Shilling und zehn Pence hab ich dafür bekommen. So ein Halsabschneider. Wo ich doch mit zwei Shilling gerechnet hatte! Trotzdem, für die Miete reicht’s erst mal.«
    »Deine Edie lebt wohl noch, oder?«
    »Die arme alte Seele, ja. Hustet sich die Lunge aus dem Leib. Sechsundvierzig Jahre alt und sieht aus wie neunzig.«
    »Willst du sie nicht mal herbringen, damit der Doc sie sich ansieht?«
    »Wohl kaum! Wer soll denn das bezahlen? Ich kann’s nicht, und Lizzie hat auch nix. Fred ist ein schäbiger alter Geizkragen.
    Verdient sich auf dem Fischmarkt ‘ne goldene

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