In feinen Kreisen
liegt jetzt fünf Tage zurück. Wenn Mrs. Gardiner etwas zugestoßen sein sollte, ist es jetzt zu spät, um etwas daran zu ändern. Wir können lediglich versuchen möglichst rücksichtsvoll vorzugehen.« Er war sich bewusst, dass Lucius und Harry Stourbridge ihm zuhörten. »Wenn auch sie das Opfer einer Gewalttat wurde, wäre sie inzwischen gefunden worden.« Er sah keinen der beiden Stourbridges an, sondern hielt den Blick fest auf Robb gerichtet. »Wenn sie entführt wurde, wird man ein Lösegeld fordern, was bisher noch nicht geschehen ist. Falls sie Zeugin des Mordes wurde, könnte es sein, dass sie weggelaufen ist, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. In diesem Fall müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir nach ihr suchen, damit wir sie nicht auch noch in Gefahr bringen.« Er holte tief Luft. »Und bevor Mr. Stourbridge nicht den Toten als Treadwell identifiziert hatte, wussten wir nicht, dass es sich bei der Angelegenheit um mehr handelte als um ein privates Missverständnis zwischen Mr. Stourbridge und Mrs. Gardiner.«
Lucius stand wie vom Donner gerührt da.
Stourbridge blickte von einem zum anderen. »Jetzt wissen wir, wer der Tote ist«, erwiderte er grimmig. »Die Frage ist, was tun wir als Nächstes?«
»So viele Fakten wie nur möglich sammeln«, antwortete Monk. »Und dann so viele Schlussfolgerungen wie möglich aus diesen Fakten ziehen.«
Robb biss sich auf die Unterlippe, und sein Gesicht wurde sehr blass. Er drehte sich zu Lucius um. »Sie haben keine Ahnung, warum Mrs. Gardiner Ihr Haus verließ?«
»Nein, nicht die geringste«, erwiderte Lucius hastig. »Es hat keinen Streit gegeben, keinen Zwischenfall, der ihr Verhalten erklären könnte.« Er berichtete, unter welchen Umständen er seine Verlobte das letzte Mal gesehen hatte und wie sie plötzlich verschwunden war.
»Sie ist mit Treadwell weggegangen?«
»Sie ist mit der Kutsche gefahren«, korrigierte Stourbridge ihn. »Und sie wird sie wohl kaum selbst gelenkt haben.«
Verärgerung flackerte in Robbs Augen auf und verschwand wieder, als habe er sich daran erinnert, wie groß die Sorge seiner Besucher sein musste. »Kannte Mrs. Gardiner Treadwell von früher, vielleicht durch die Köchin?«
»Nein«, erwiderte Lucius sofort. »Sie kannte niemanden im Haus, bevor ich sie das erste Mal dorthin brachte.«
»Wo haben Sie Mrs. Gardiner kennen gelernt?«
»In Hampstead Heath! Warum? Es ist nur natürlich, dass Treadwell sie hierher zurückfuhr. Sie wohnt in der Lyndhurst Road.«
Robb schürzte die Lippen. »Das ist ungefähr eine Dreiviertelmeile von der Stelle entfernt, an der die Kutsche gefunden wurde, und noch weiter von dem Ort, an dem Treadwells Leiche lag. Ich darf doch davon ausgehen, dass sie bereits bei der Dame zu Hause waren, um festzustellen, ob sie dort ist?«
»Natürlich! Es hat sie niemand mehr dort gesehen, seit sie zu uns nach Bayswater fuhr«, antwortete Lucius. »Es ist der erste Ort, an dem wir nach ihr gesucht haben. Bitte, sagen Sie uns, was Sie über Treadwells Tod wissen. Bitte!«
Sie standen mittlerweile wieder draußen auf der Straße. Lucius atmete tief durch, als wolle er seine Lungen von der Luft im Leichenschauhaus reinigen, von dem erdrückenden Geruch des Todes. Trotzdem ließ er Robb keine Sekunde lang aus den Augen.
»Wir wissen lediglich, dass er ermordet wurde«, erwiderte Robb. »Wir wussten nicht einmal seinen Namen, bevor sie ihn uns nannten, obwohl wir auf Grund der Kleidung seinen Beruf bereits erraten hatten.«
»Ist denn in der Kutsche nichts gefunden worden?«, fragte Stourbridge stirnrunzelnd. »Keine Spuren oder Flecken, die Aufschluss darüber geben könnten, wo der Wagen gewesen ist? Und was ist mit den Pferden? Sind sie verletzt?«
»Nein, sie waren verwirrt und erschrocken und spürten wohl, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine Hinweise darauf, dass sie durchgegangen waren. Das Geschirr war nicht zerbrochen. Die Zügel waren ordentlich festgemacht, als hätte der Fahrer angehalten und wäre dann vom Bock gestiegen, nicht gestürzt. Die Kutsche selbst weist keine Kratzer oder sonstigen Beschädigungen auf, wie sie nicht durch ganz gewöhnliche Benutzung entstehen.«
Stourbridge drehte sich fragend zu Monk um.
»Sie können hier nicht mehr tun«, versicherte Monk ihm.
»Vielen Dank, dass Sie hergekommen sind und Treadwell identifiziert haben. Vielleicht kehren Sie jetzt besser nach Hause zurück und informieren Ihre Familie und natürlich die Köchin. Es wird sicher ein
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