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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Dienstzeit benutzen, um den alten Mann zu versorgen.
    Hester erhob sich ebenfalls. Ihre Stimme war leise und sehr deutlich, und sie wählte jedes ihrer Worte mit Bedacht. »Willst du mir etwa verbieten, das zu tun, was ich für richtig halte, William?«
    »Du darfst alles tun, was richtig ist«, erwiderte er mit einem kleinen, erleichterten Lächeln, weil sie ihm diesen Fluchtweg gelassen hatte. »Immer. Aber dies hier wäre nicht richtig.«
    »Du meinst, ich darf tun, was du für richtig hältst?«, fragte sie herausfordernd.
    »Das darfst du«, pflichtete er ihr bei. »Du musst nicht so handeln. Die Entscheidung liegt bei dir.« Und mit diesen Worten ging er in das andere Zimmer und ließ sie mit ihrem Zorn allein. Es war ganz und gar nicht seine Absicht gewesen, dass die Dinge sich so entwickelten, aber im Augenblick zählte nur der Sieg. Es gab eine ganze Anzahl von Gründen, warum er, um ihrer beider Glück willen, Herr in seinem eigenen Haus bleiben wollte. Wenn Hesters Erregung sich gelegt hatte, würde sie das sicher einsehen.
    Er blieb über eine Stunde allein, und sie kam nicht zu ihm. Zuerst vermisste er sie, dann wurde er langsam wütend. Wie kindisch sie sich benahm. Immer wollte sie ihren Willen durchsetzen.
    Aber das durfte er ihr nicht durchgehen lassen. Das war unerträglich. Er stand auf und machte sich auf die Suche nach ihr.
    Sie saß am Tisch und schrieb. Als er eintrat, blickte sie auf.
    »Ah, schön«, sagte sie mit einem Lächeln. »Du bist gekommen, um mir mehr darüber zu erzählen. Das hatte ich schon erwartet. Der Kessel steht schon auf dem Feuer. Möchtest du eine Tasse Tee? Wir haben auch Kuchen im Haus.«
    Er dachte an die vor ihnen liegende Nacht, in der er neben ihrem warmen, schlanken Körper liegen würde, und beschloss, das Thema auf ein andermal zu verschieben.
    »Ja«, stimmte er ihr zu, während er sich auf den anderen Stuhl setzte. »Eine Tasse Tee wäre schön, danke. Und Kuchen auch.«
    Gehorsam und mit einem kleinen Lächeln erhob sie sich.

4
    Am Morgen verließ Monk das Haus, um seine Suche nach Miriam Gardiner fortzusetzen. Allerdings war da noch eine weitere Schwierigkeit: Er musste sie finden, ohne gleichzeitig Robb zu ihr zu führen. Seine Intelligenz war keineswegs zu unterschätzen.
    Pferde waren gescheite Tiere. Wenn Treadwell mit ihnen schon einmal in Hampstead gewesen wäre, hätten sie wahrscheinlich an denselben Ort zurückgefunden.
    So fand Monk sich an dem stillen Sommermorgen um sieben Uhr auf der Lyndhurst Road ein, wo er die sonnenbeschienenen Häuser mit ihren gepflegten Gärten und den weiß gestrichenen Treppenaufgängen eingehend betrachtete.
    Er hatte Miriams Adresse von Lucius Stourbridge erhalten. Natürlich war dies der erste Ort gewesen, an dem er sich nach ihrem Verbleib erkundigt hatte, aber all seine Fragen waren nur auf Verständnislosigkeit gestoßen. Trotzdem war dies wahrscheinlich die Stelle, an der Robb mit seinen Ermittlungen beginnen würde.
    Monk ließ sich die Sonne auf den Rücken scheinen und lauschte den frühmorgendlichen Geräuschen: Küchentüren, die geöffnet und wieder geschlossen, Teppiche, die geklopft wurden. Die Schritte der Laufjungen und das Scheppern eines Kohleneimers hallten auf dem Pflaster wider. Monk beschäftigte nur der Gedanke, wo Miriam sich aufgehalten hatte, als James Treadwell ermordet wurde. War sie zugegen gewesen? Hatte sie ihm diesen einen Schlag versetzt und war dann geflohen? Hatte sie die Kutsche genommen? Wenn ja, warum hatte sie das Gefährt dann in einer Straße zurückgelassen, die dem Tatort so nahe war?
    Vielleicht war sie in Panik geraten und einfach davongelaufen. Möglicherweise hatte sie keine Ahnung von Pferden und konnte selbst nicht kutschieren.
    Oder war noch eine dritte Person zugegen gewesen? Hatte Miriam den Mord beobachtet und war dann geflohen, vielleicht um sich selbst zu retten? War sie überhaupt Zeugin des Mords gewesen?
    Er würde allerdings keine Antwort auf all diese Fragen erhalten, wenn er nur in der Sonne herumstand, während die Welt langsam zum Leben erwachte. Er ging auf das ihm am nächsten gelegene Haus zu und klopfte an die Tür. Ein Dienstmädchen öffnete ihm. Die Frau sah ihn überrascht an, schon im Begriff, einem verirrten Händler zu sagen, wo der für ihn bestimmte Eingang war. Dann fiel ihr Blick zuerst auf Monks Gesicht, anschließend auf seine elegante Jacke und die blank geputzten Stiefel. Dies änderte ihre Meinung.
    »Ja, Sir?«, erkundigte sie sich

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