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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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mit demselben Gärtner zu sprechen. Der Gedanke war nahe liegend. Dann würde der Mann auch ihm berichten, dass die Kutsche seit mindestens einem Jahr regelmäßig diesen Weg entlangfuhr. Und Robb würde sich erkundigen, mit wem er sich gerade unterhalten habe, und der Gärtner würde sagen, dass er dem anderen Mann dieselbe Information gegeben hatte. Und würde wissen, dass es Monk gewesen war. Wer sonst hätte es sein sollen?
    Was hatte James Treadwell in dieser Gegend zu suchen gehabt, außer Miriam abzuholen und sie nach ihren Besuchen bei Lucius Stourbridge wieder nach Hause zu bringen? Hatte er Verwandte hier? Waren da eine oder vielleicht sogar mehrere Frauen im Spiel? Oder hatten ihn irgendwelche Geschäfte hierher geführt? Hingen diese mit Miriam zusammen oder nicht?
    Ein Gefährt wie dieses würde jedem in Erinnerung bleiben, der etwas von Pferden verstand. Die meisten Leute hier benutzten öffentliche Transportmittel, Hansoms oder sogar Omnibusse. Kurze Strecken legte man meist zu Fuß zurück.
    Monk verwandte die nächsten drei Stunden darauf, die nähere Umgebung zu erkunden. Er fragte Stiefeljungen, Diener und auch ein Spülmädchen nach den verschiedenen Häusern. Er hielt einen Mann an, der Kohle für die Küchenfeuer brachte, die selbst an einem so heißen Sommertag brannten. Das Gesicht des Händlers war kohlengeschwärzt und von Schweißspuren durchzogen.
    Noch zweimal konnte er es nur knapp vermeiden, Robb über den Weg zu laufen. Er unterhielt sich mit einem Zeitungsjungen und einem Mann, der Schinkenbrote verkaufte. Die meisten der Leute, mit denen er sprach, waren nur allzu gern bereit, ihn wissen zu lassen, dass sie Miriam Gardiner zumindest vom Sehen kannten. Und sie lächelten, als hätten sie dabei eine angenehme Erinnerung.
    Aber sie wussten, dass Treadwell ermordet worden war, und keiner von ihnen wollte mit diesem Verbrechen in Zusammenhang gebracht werden. Ja, sie hatten ihn früher gesehen, aber nein, nicht mehr in letzter Zeit, ganz gewiss nicht an dem Abend, an dem er zu Tode gekommen war. Sie sahen Monk mit ausdruckslosem Blick an und stritten alles ab. Er konnte nur hoffen, dass es Robb genauso erging.
    Jetzt blieb ihm nur noch, sich langsam dem Ort zu nähern, an dem die Leiche gefunden worden war, und es dort noch einmal zu versuchen. Er musste jemanden finden, der das Kommen und Gehen dort beobachten konnte und keine Angst davor hatte, das, was er wusste, auch mitzuteilen. Diener, die beim Schwatzen erwischt wurden, brachten sich unweigerlich in Schwierigkeiten. Monk hatte Robb gegenüber einen Vorteil: Er gehörte nicht zur Polizei. Dieser Umstand war jedoch nicht immer von Vorteil. Er konnte nur versuchen zu überreden, erzwingen konnte er nichts.
    Er ging langsam den Gehweg hinunter. Es war eine hübsche Gegend, mit kleinen, adretten Reihenhäusern. Die Salons darin würden ordentlich und selten benutzt und voller Gemälde und Stickereien mit gottesfürchtigen Sprüchen sein, und das Leben selbst würde sich überwiegend in den Küchen und Schlafzimmern abspielen.
    Er fragte sich, was Treadwell wohl hier gewollt hatte. Hatte er sich mit Freunden getroffen, vielleicht mit einer Frau? Warum auch nicht? Es wäre jedenfalls sehr töricht von ihm gewesen, die Freundschaft einer Frau zu suchen, die im Hause Stourbridge verkehrte, denn es bestand immer die Gefahr, dass jemand etwas bemerkte. Der Küchentratsch hatte schon mehr als einen Dienstboten ruiniert.
    War er hergekommen, um etwas zu besorgen oder alte Schulden zu begleichen oder einzufordern? Oder wollte er einfach nur seinem alltäglichen Leben entfliehen, dem Leben, in dem er stets dem Willen anderer gehorchen musste?
    Monk überquerte langsam die Straße. Eine junge Frau ging an ihm vorüber. Sie trug die gestärkte Uniform eines Kindermädchens und hielt ein kleines Mädchen an der Hand, das hin und wieder über einen Pflasterstein hopste. Die Schleife in seinem Haar wippte dabei auf und nieder. Die junge Frau lächelte ihm zu. Irgendwo in der Ferne, wahrscheinlich in der Heide, spielte eine Drehorgel.
    Wenn Treadwell hierher gekommen war, hätte er Kutsche und Pferde wohl kaum unbewacht zurückgelassen. Selbst wenn er nur Halt gemacht hätte, um sich irgendwo ein Gläschen zu genehmigen, hätte er sie an einem geeigneten Ort, wie zum Beispiel einem Stallhof, unterstellen müssen.
    Ein Stückchen weiter die Straße entlang lag ein Laden. Monk befand sich hier nicht mehr als eine Viertelmeile von Miriam Gardiners Haus

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