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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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selber eingenommen!«
    Monk lächelte, und der Stallknecht freute sich, dass ihm nicht widersprochen wurde.
    Monk dankte ihm und verabschiedete sich. Während er weiterging, machte er sich Gedanken über das, was er erfahren hatte. Nicht nur über Treadwells Besuche hier in der Gegend, sondern auch über Miriams seltsame Jugend und die Tatsache, dass Treadwell vor dem Haus eben jener Frau ermordet wurde, die die kleine Miriam vor etwa zwanzig Jahren bei sich aufgenommen hatte. Und Sergeant Robb war natürlich auf den gleichen Gedanken gekommen. Monk wusste, dass er äußerst vorsichtig sein musste, wenn er den Polizisten nicht direkt zu Miriam führen wollte.
    Als er wieder auf der Straße war, verlangsamte er seinen Schritt. Warum wollte er unbedingt vermeiden, Robb zu Miriam zu führen? Die Antwort war einfach. Weil er befürchtete, sie könne etwas mit Treadwells Tod zu tun haben, und sei es auch nur indirekt. Sie versteckte sich vor Lucius, aber sie versteckte sich auch vor der Polizei. Warum? Was hatte Treadwell ihr bedeutet, abgesehen davon, dass er der Kutscher der Stourbridges war? Was konnte er gewusst – oder geargwöhnt – haben?
    Es war Zeit, Cleo Anderson einen Besuch abzustatten. Er wollte Robb nicht in die Arme laufen, daher näherte er sich dem Haus nur langsam.
    Er war bereits an der Green Man Hill Street, als er Robb vor sich die Straße überqueren sah und abrupt stehen blieb. Er zog den Kopf ein und hob die Hände, wie um sich eine Zigarre anzuzünden, dann wandte er sich ab, wie man es tat, wenn man Schutz vor dem Wind suchte. Ohne aufzublicken, obwohl die Versuchung groß war, schlenderte er weiter und bog um die nächste Ecke.
    Er hielt inne und stellte zu seiner Verärgerung fest, dass er zitterte. Es war absurd. Wie tief war er gesunken, wenn er schon um Straßenecken schlich, um nicht von der Polizei erkannt zu werden? Noch dazu von einem Sergeant! Vor wenigen Jahren hatten alle Sergeants in London seinen Namen gekannt und Habtachtstellung eingenommen, wenn sie ihn sahen. Den Menschen war es wichtig gewesen, was er von ihnen hielt; sie wollten ihm gefallen.
    Was sich doch alles geändert hatte!
    Er kam sich lächerlich vor, wie er da auf dem Gehweg stand und so tat, als zünde er sich eine imaginäre Zigarre an, nur damit Robb sein Gesicht nicht sah. Und doch machte ihm der Mann, der er damals gewesen war, rückblickend nur wenig Freude. Robb hätte ihn gefürchtet, wahrscheinlich Respekt vor seinem Können gehabt, aber vor allem hätte er ihn gefürchtet, auf Grund der Macht, die er besaß, und seiner Entschlossenheit sie einzusetzen. Ebenso wie alle seine Untergebenen Angst vor seiner scharfen Zunge gehabt hatten.
    Wenn Robb zu Cleo Anderson gegangen war, sei es wegen Miriam oder einfach weil Treadwell vor ihrem Haus gefunden worden war, dann hatte es keinen Sinn, hier zu warten, bis er den Heimweg antrat. Es konnte ein oder zwei Stunden dauern, daher war es besser, irgendwo zu Abend zu essen und dann später zurückzukehren.
    Er aß sehr gut und nutzte dann noch ein klein wenig Wartezeit, um weitere Erkundigungen über Miriam einzuholen. Er gab vor, eine Schwester zu haben, die jüngst geheiratet hatte und erwog, in diese Gegend zu ziehen. Er erfuhr mehr als erwartet. Miriams Name tauchte im Zusammenhang mit einer botanischen Gesellschaft auf, mit den Freunden einer Missionsgruppe in Afrika und einem Zirkel, der sich jeden Freitag traf, um literarische Werke zu erörtern. Zudem hatte sie verschiedene Pflichten in ihrer Gemeinde übernommen. Natürlich, er hätte selbst an die Kirche denken sollen. Diesen Fehler wollte er am nächsten Tag wettmachen.
    Alles in allem war er sehr zufrieden mit sich, als er im Licht des frühen Abends auf Cleo Andersons Türschwelle stand.
    In Anbetracht der Tatsache, dass Cleo Anderson bereits ein Gutteil ihres Abends auf die Beantwortung von Sergeant Robbs Fragen verwandt hatte, öffnete sie Monk die Tür mit bemerkenswerter Freundlichkeit. Einen Augenblick lang kam ihm der Gedanke, dass sie ihn vielleicht für einen Patienten hielt. Schließlich war es ihr Beruf, sich um Kranke zu kümmern.
    Sie brauchte nicht lange, um festzustellen, dass er ein Fremder war und auch nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft stammte. Obwohl ihre Augen bei seinem Anblick ein klein wenig schmaler wurden, schickte sie ihn nicht fort.
    »Ja, Sir, was kann ich für Sie tun?«, fragte sie und blieb so stehen, dass sie jederzeit die Tür zuschlagen konnte, falls er sich mit

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