In feinen Kreisen
vertraute niemandem, mit Ausnahme vielleicht von Cleo. Gewiss vertraute sie Lucius Stourbridge nicht. Sie würde Orte meiden, die ihr vollkommen fremd waren; andererseits würde sie auch keine Freunde aufsuchen, da man sie dort zuerst suchen konnte.
Die korpulente Frau, die neben ihm saß, schwitzte stark. Sie tupfte sich mit einem großen Taschentuch das Gesicht ab. Ein kleiner Junge blies durchdringend auf einer Pfeife, und seine Mutter befahl ihm vergeblich, damit aufzuhören. Ein älterer Mann mit einem Zylinder sog hörbar durch eine Zahnlücke die Luft ein. Monk sah den Jungen mit der Pfeife wütend an, woraufhin dieser sofort aufhörte. Der Mann mit der Zahnlücke lächelte erleichtert.
Miriam würde sich an jemanden wenden, dem sie trauen konnte, jemanden, dem auch Cleo traute, vielleicht an jemanden, der ihr für einen früheren Freundschaftsdienst noch einen Gefallen schuldete. Cleo war Krankenschwester. Wenn sie auch nur im Entferntesten wie Hester war, konnte sie darauf bauen, dass eine ganze Reihe von Menschen, ohne Fragen zu stellen, Schweigen bewahren würden. Das war der Punkt, an dem er beginnen musste, bei den Leuten, die Cleo Anderson gepflegt hatte. Er lehnte sich zurück und entspannte sich, ohne jedoch den kleinen Jungen aus den Augen zu lassen, für den Fall, dass er von neuem seine Pfeife an die Lippen führte.
Als Monk am nächsten Tag seine Arbeit wieder aufnahm, war es bereits sehr warm, obwohl der Uhrzeiger noch nicht ganz auf neun stand. Er hörte die Stimme des Lumpensammlers hinter sich verklingen, als er sich langsam von der Heide entfernte und Richtung Süden fuhr. Im Schatten hoher Bäume funkelte noch immer der Tau, aber die freien Grasflächen waren trocken.
Monk machte sich nicht die Mühe, Patienten mit großen Familien aufzusuchen, und natürlich ließ er auch jene außer Acht, deren Krankheit zum Tod geführt hatte. Cleo Anderson genoss einen guten Ruf. Kaum jemand hatte ein schlechtes Wort für sie. Auch Miriam war bei den Leuten sehr beliebt. Wie es schien, hatte sie Cleo häufig bei ihren Krankenbesuchen begleitet, vor allem nachdem sie selbst Witwe geworden war und sich nicht länger um das Wohlergehen von Mr. Gardiner kümmern musste.
Monk folgte jeder Spur, die vielleicht zu Miriam führen konnte. Bis zum späten Vormittag war er Sergeant Robb zweimal über den Weg gelaufen und fragte sich, ob dieser ihn ebenfalls bemerkt hatte. Auch wenn er ihn vielleicht nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, so musste er doch zahlreichen Hinweisen entnommen haben, dass er die gleichen Spuren verfolgte?
Kurz nach Mittag bog er um die Ecke der Prince Arthur Road und blieb jäh stehen. Zehn Meter vor ihm warf Robb einen nervösen Blick auf seine Uhr. Dann blickte er widerstrebend zu einem Haus auf der anderen Straßenseite hinüber, biss sich auf die Unterlippe und ging mit sehr eiligem Schritt in die entgegengesetzte Richtung.
Einen Moment war Monk verwirrt, dann begriff er, dass Robb sich auf den Heimweg machte. Sein Großvater musste seit dem frühen Morgen allein gewesen sein und würde Hilfe sowie etwas zum Essen benötigen.
Monk war voller Mitleid für den Sergeant und auch für den alten Mann, der Tag für Tag allein zu Hause saß und auf seinen Enkel wartete, der verzweifelt zwischen seiner Arbeit und der Pflicht, seinen Großvater zu pflegen, hin und her gerissen war.
Aber Monks erste Pflicht galt Miriam Gardiner, denn dafür hatte Lucius Stourbridge ihn engagiert, und er hatte ihm sein Wort gegeben. Monk suchte sie, weil es sein Auftrag war, Robb, weil er sich von ihr Informationen zur Aufklärung von Treadwells Tod erhoffte oder sie vielleicht sogar als Komplizin entlarven wollte. Es war unerlässlich, dass Monk sie als Erster fand.
Er schlenderte zu dem Haus hinüber, das Robb beobachtet hatte. Er wusste nicht, wer hier lebte oder was Robb zu finden gehofft hatte, aber die Zeit war zu knapp, um vorsichtig Erkundigungen einzuziehen. Dies war eine Chance, sich einen Vorteil zu verschaffen. Er klopfte an die Tür und trat einen Schritt zurück, um abzuwarten.
Das Dienstmädchen, das ihm kurz darauf mit ängstlichem Blick öffnete, konnte nicht älter als vierzehn oder fünfzehn sein, aber sie bemühte sich, einen selbstbewussten Eindruck zu machen.
»Ja, Sir?«
Er lächelte. »Guten Tag. Mrs. Gardiner hat mich gebeten, Ihrer Herrin eine Nachricht zu überbringen, falls sie im Haus ist.« Er wünschte, er hätte wenigstens den Namen der Familie gewusst.
Einen
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