In feinen Kreisen
seiner kleinen Ansprache.
Hester trat den Rückzug an, bevor er die Frage der verschwundenen Medikamente weiter verfolgen konnte.
Sie hatte sich bereits entschlossen, John Robb einen Besuch abzustatten, um zu sehen, ob sie ihm irgendwie helfen konnte. Das zumindest war etwas, das sich ohne Fermin Thorpes Unterstützung ausführen ließ.
Es war ein schöner Sommernachmittag, und sie brauchte nicht lange bis zu der Straße, in der Robb lebte. Sie wusste die Hausnummer nicht, musste aber nur einmal nachfragen, um sie in Erfahrung zu bringen.
Die Häuser sahen ärmlich aus, waren aber sauber. Einige hatten geweißte Treppen, während vor anderen nur ordentlich gefegt worden war. Sie überlegte, ob sie klopfen sollte oder nicht. Nach allem, was Monk ihr erzählt hatte, konnte der alte Mann nicht aufstehen, um die Tür zu öffnen. Doch es ging auch nicht an, einfach unangemeldet das Haus zu betreten.
Sie entschied sich dafür, an der Tür stehen zu bleiben und seinen Namen zu rufen. Dann wartete sie schweigend ein paar Sekunden ab, bevor sie noch einmal rief.
»Wer ist da?« Die Stimme war ein gedämpftes Brummen.
»Mein Name ist Hester… Monk.« Sie hätte um ein Haar »Latterly« gesagt. Sie war noch nicht an den neuen Namen gewöhnt. »Mein Mann hat Sie neulich besucht.« Sie durfte ihm nicht das Gefühl geben, Mitleid zu erregen. Ein unbedachter Satz konnte so leicht verletzen. »Er hat so viel von Ihnen erzählt, dass ich Sie gern einmal selbst besuchen wollte.«
»Ihr Mann? Ich erinnere mich nicht…« Er begann so stark zu husten, dass sie alle Höflichkeit vergaß und über die Schwelle trat.
Der Raum war klein und vollgestellt mit Möbeln, aber er war sauber und so aufgeräumt wie das unter diesen Umständen nur möglich war.
Sie ging direkt zum Spülstein, suchte eine Tasse, füllte sie mit Wasser aus einem Krug auf der Bank und hielt sie dem alten Mann an die Lippen, – mehr konnte sie kaum für ihn tun. Sein Körper bebte, als er nach Luft rang. Sie konnte das Rasseln in seiner Brust hören.
Nach einer Weile ließ der Krampf nach und der alte Mann nahm dankbar das Wasser entgegen, nippte daran und gab ihr die Tasse wieder zurück.
»Tut mir Leid, Miss«, sagte er heiser. »Das kommt von der Bronchitis. Wirklich dumm, so was um diese Jahreszeit zu kriegen.«
»Es kann jederzeit passieren, wenn man anfällig dafür ist«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Manchmal ist es im Sommer am schlimmsten. Da wird man es noch schlechter los als sonst.«
»Sie haben sicher Recht«, stimmte er ihr mit einem leichten Nicken zu. Er war blass, aber seine Wangen waren ein wenig gerötet. Sie vermutete, dass er leichtes Fieber hatte.
»Was kann ich für Sie tun, Miss? Wenn Sie meinen Enkel suchen, der ist nicht hier. Er ist Polizist und zurzeit im Dienst. Übrigens ist er sehr gut in seinem Beruf als Sergeant.« Sein Stolz war nicht zu überhören.
»Ich bin Ihretwegen hergekommen«, erinnerte sie ihn. Sie musste einen Grund finden, den er akzeptieren konnte. »Mein Mann sagte, Sie seien Matrose gewesen und hätten einige der wichtigsten Schlachten in der Geschichte Englands mitgemacht.«
Er sah sie von der Seite an. »Und was für eine Verwendung hat eine junge Dame wie Sie für Geschichten von alten Schlachten, die noch vor ihrer Geburt stattgefunden haben?«
»Wenn sie verloren worden wären, spräche ich jetzt Französisch«, erwiderte sie und sah ihn lächelnd an.
»Hm… ja, das könnte stimmen. Trotzdem, das war Ihnen ja schon bekannt, bevor Sie den weiten Weg zu mir machten! « In seinen Worten schwang immer noch eine Spur Misstrauen mit.
Hester verstand sofort. Junge, gebildete Frauen mit guten Manieren pflegten keinen alten, kranken Kriegsveteranen zu besuchen, der, nach diesem Zimmer zu urteilen, in finanziellen Schwierigkeiten steckte.
Der Wahrheit entsprechend zu antworten, schien ihr jetzt das Beste zu sein.
»Ich war Armeekrankenschwester auf der Krim«, sagte sie.
»Ich weiß mehr über den Krieg, als Sie sich vielleicht vorstellen können. Ich habe wahrscheinlich nicht so viele Schlachten miterlebt wie Sie, aber ich war bei manchen dabei und oft näher, als mir lieb war. Ich habe eine ganze Menge Leid gesehen.« Plötzlich sprach sie mit großer Überzeugung. »Ich kenne niemanden, mit dem ich über diese Dinge sprechen, dem ich von all dem Elend erzählen könnte, das mich noch heute in meinen Träumen verfolgt. Niemand will solche Dinge hören, schon gar nicht von einer Frau. Die
Weitere Kostenlose Bücher