In feinen Kreisen
den Fall Miriam Gardiner betrifft.«
Er errötete, aber sein Blick blieb feindselig.
»Sie sagen wirklich, was Sie denken, Ma’am.«
Sie lächelte. »Ja – ich weiß. Wäre es Ihnen lieber, ich würde um den heißen Brei herumreden? Ich könnte noch einmal von vorn anfangen, wenn Sie es wünschen?«
»Nein, das wünsche ich nicht!« Gegen seine Absicht wurde seine Stimme lauter. »Ich…«
Was er auch hätte sagen wollen, es ging in einem neuerlichen Hustenanfall des alten Mannes unter. Er hatte sich halb in seinem Stuhl aufgebäumt und litt offensichtlich starke Schmerzen. Sein Gesicht war hochrot, und auf seinen Lippen und der Stirn standen Schweißperlen.
Michael fuhr herum, stützte ihn und schob ihn vorsichtig wieder in den Sessel zurück. Einen Augenblick lang war Hester vollkommen vergessen.
Der alte Mann rang nach Atem und versuchte verzweifelt, Luft in seine kranken Lungen zu saugen, bis sein ganzer Körper unter heftigen Krämpfen zuckte. Er hustete zähen , dunkelgelben und mit Blut vermischten Schleim aus.
Hester hatte bereits geahnt, dass es nicht gut um ihn stand, und dies war die Bestätigung. Sie wünschte, sie hätte irgendetwas tun können, aber im Moment gab es keine Hilfe für den alten Mann. Michael stützte ihn, so gut es ging.
Wäre er im Krankenhaus gewesen, hätte sie seine Lunge mit einer winzigen Dosis Morphium beruhigen und ihm ein wenig Ruhe verschaffen können. Auch Sherry und Wasser wären ein gutes Stärkungsmittel gewesen. Sie ließ ihren Blick über die Regale wandern. Wie konnte sie ihm geben, was er brauchte, ohne seinen Stolz zu verletzen. Sie wusste, dass Angst krank machen, dass Furcht den Lebenswillen zerstören konnte. Das Gefühl, nur mehr eine Last für die Menschen zu sein, die man liebte, hatte schon häufig den Tod eines Menschen herbeigeführt, der sich vielleicht wieder erholt hätte, wäre ihm seine Existenz nicht so nutzlos erschienen.
Sie sah Brot und Käse, drei Eier, ein sorgfältig abgedecktes Stück kaltes Rindfleisch, etwas rohes Gemüse und eine Scheibe Pastete. Nicht viel, um zwei Männer zu ernähren. Vielleicht aß Michael Robb ja während des Dienstes zu Mittag. Andererseits wandte er wahrscheinlich einen großen Teil seines Einkommens dafür auf, den Lebensunterhalt seines Großvaters zu bestreiten, aber auf eine Weise, dass der alte Mann es nicht bemerkte.
Es gab noch einen geschlossenen Schrank, aber sie zögerte, da es ihr widerstrebte, sich in die privaten Dinge der beiden Männer einzumischen. Ob sie wohl Kristian Beck bewegen konnte, Mr. Robb einen Besuch abzustatten und ihm Morphium zu verschreiben? Er war zu alt, und seine Krankheit war zu weit fortgeschritten, um mehr zu tun als sein Leiden zu lindern. Keine Schwester, die ihren Beruf ernst nahm, schrieb solche Fälle einfach ab.
Gab es nicht irgendetwas, das sie in der Zwischenzeit tun konnte? Auch heißer Tee allein würde den Hustenreiz vielleicht ein wenig lindern, sobald der alte Mann wieder in der Lage war, etwas zu trinken. Dann entdeckte sie einen kleinen Krug mit Honig.
Sie schenkte ihm eine Tasse Tee ein, fügte den Honig und ein wenig kaltes Wasser hinzu, um den Tee trinkbar zu machen, und ging zu ihm. Als der Hustenkrampf einen Moment nachließ, hielt sie dem alten Mann die Tasse an die Lippen.
»Nehmen Sie einen Schluck!«, sagte sie. »Es wird helfen.«
Er gehorchte, und vielleicht half der Honig ja wirklich gegen die Krämpfe, denn sein Körper entspannte sich nach und nach, während er in kleinen Schlucken trank. Es schien, als sei die Attacke vorüber.
Sie stellte die Tasse ab, ging wieder zum Spülstein und entdeckte dort eine Schüssel, in der wohl der Abwasch gemacht wurde. Sie goss den Rest des heißen Wassers aus dem Kessel hinein und setzte automatisch neues auf. Dann fügte sie ein wenig kaltes Wasser hinzu, prüfte mit der Hand die Temperatur und kehrte mit einem Lappen und einem Handtuch zu dem alten Mann zurück.
Er war erschöpft und sehr blass, aber erheblich ruhiger. Die Tatsache, dass er für eine Weile nicht mehr Herr seines Körpers gewesen war, stellte für ihn offensichtlich eine große Belastung dar.
Michael wirkte angespannt und ärgerlich, er war sich der Gefühle seines Großvaters schmerzlich bewusst und hätte den Alten gern vor fremden Blicken geschützt.
Hester wrang das Tuch in dem heißen Wasser aus und tupfte dem alten Mann sanft Gesicht und Hals ab und als er keinen Protest erhob, öffnete sie sein Hemd und zog es ihm aus. Dabei
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