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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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dass solche Dinge geschehen. Und solange das passiert, werden Menschen wie Thorpe – und aus solchen Leuten scheint die Ärzteschaft in der Mehrzahl zu bestehen – Krankenschwestern als die unterste Schicht von Hausmädchen ansehen.«
    Callandra verzog den Mund. »Ich kenne kein Hausmädchen, das nicht beleidigt wäre – und wahrscheinlich sogar kündigen würde –, wenn Sie es in einem Atemzug mit einer Krankenschwester nennen.«
    »Das genau ist das Problem, mit dem wir uns herumschlagen!«, erwiderte Hester, während sie sich eine halbe Kartoffel und ein Stück kaltes Hammelfleisch nahm.
    »Die Nightingale-Schule wird in Kürze eröffnen.« Callandra gab sich alle Mühe, ein wenig optimistischer zu erscheinen.
    »Aber ich glaube, sie hatte Mühe, geeignete Bewerberinnen zu finden. Sie haben sehr hohe Anforderungen in puncto Moral, und sie verlangen natürlich absolute Hingabe an den Beruf. Die Regeln sind fast so streng wie in einem Nonnenkloster.«
    »Man nennt sie nicht umsonst »Schwestern««, antwortete Hester mit humorvollem Blick.
    Aber es gab noch andere Dinge, die sie beschäftigten. Sie hatte noch einmal über Sergeant Robbs Großvater nachgedacht, der allein in seiner Wohnung saß und wartete, dass sein Enkel ihn versorgte. Die Situation musste eine schwere Last für ihn sein.
    Und wie viele andere alte Männer mochte es geben, die jetzt krank und mittellos waren, Opfer von Kriegen, an die die jungen Menschen sich nicht mehr erinnern konnten? Und auch alte Frauen, vielleicht die Witwen von Männern, die im Krieg gefallen waren, oder solche, die unverheiratet geblieben sind, weil die Männer, die sie ehelichen wollten, in einer Schlacht den Tod gefunden haben?
    Sie beugte sich ein wenig vor. »Könnte man nicht eine Art Vereinigung schaffen, von Frauen, die diese Menschen besuchen… die zumindest die augenfälligeren Probleme angehen und Rat geben, in welchen Fällen ein Arzt hinzugezogen werden sollte…«
    Der Ausdruck auf Callandras Gesicht ließ sie innehalten. »Sie träumen, meine Liebe«, sagte sie sanft. »Wir bekommen nicht einmal ordentliche Krankenschwestern für die Armenhospitäler, die an die Arbeitshäuser angeschlossen sind, und Sie sprechen von Krankenschwestern, die die Armen in ihren Häusern aufsuchen? Da greifen Sie Ihrer Zeit fünfzig Jahre voraus. Aber dennoch, es ist ein schöner Traum, ein guter Traum.«
    »Wie wäre es denn mit einer Art Hospital eigens für Männer, die ihre Gesundheit im Kampf für England gelassen haben?«, hakte Hester nach. »Wäre das nicht wenigstens ein Gebot des Respekts, wenn schon nichts anderes?«
    »Wenn man der Ehre überall Genüge täte, wäre dies eine ganz andere Welt.« Callandra schluckte den letzten Bissen ihrer Pastete hinunter. »Vielleicht hätte man mehr Erfolg, wenn man auf aus der Erkenntnis geborenen Eigennutz setzte.«
    »Wie das?«, fragte Hester.
    »Die besten Pflegereformen hat es bisher in Armeehospitälern gegeben, und sie sind fast ausschließlich Miss Nightingales Werk.« Sie dachte mit gerunzelter Stirn nach, bevor sie weitersprach. »Neue Häuser werden so gebaut, dass sie über sauberes Wasser verfügen, über eine bessere Belüftung und erheblich weniger überfüllte Stationen…«
    »Ich weiß.« Hester ließ ihren Teller unbeachtet stehen.
    »Ich bin überzeugt, Mr. Thorpe würde gern als fortschrittlich gelten…«, fuhr Callandra fort.
    Hester verzog das Gesicht, fiel der anderen Frau aber nicht noch einmal ins Wort.
    »… ohne dabei irgendein Risiko einzugehen«, fuhr Callandra fort. »Ein Armenhospital für alte Soldaten könnte ein guter Kompromiss sein.«
    »Natürlich könnte es das!«, stimmte Hester ihr zu. »Nur dass man es natürlich anders bezeichnen müsste. Sehr viele Soldaten würden lieber sterben, als die Wohltätigkeit ihrer Gemeinde anzunehmen. Und das sollten sie auch nicht nötig haben! So viel zumindest sind wir ihnen schuldig.« Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Aber ich werde sehr zurückhaltend sein, wenn ich mit Mr. Thorpe spreche.«
    »Hester!«, rief Callandra ihr beschwörend nach, aber Hester war schon an der Tür, und wenn sie etwas gehört hatte, so ließ sie es sich nicht anmerken.
    »Unmöglich«, sagte Thorpe, ohne zu zögern. »Ganz ausgeschlossen. Es gibt Arbeitshäuser, die für die Bedürftigen Sorge tragen…«
    »Ich rede nicht von Bedürftigen, Mr. Thorpe.« Hester bemühte sich, ruhig zu bleiben, aber es kostete sie einige Anstrengung. »Ich denke an Männer,

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