In feinen Kreisen
ließ Michael sie nicht aus den Augen. Dann wusch sie dem alten Mann ohne ein Wort zu verlieren die Arme und den Leib. Auch die beiden Männer schwiegen.
Als Michael erkannte, dass sie seinem Großvater mit dem, was sie tat, half, statt ihm weiteres Ungemach zu bereiten, ging er hinaus, um ein frisches Hemd zu holen. Hester half dem alten Mann beim Anziehen und leerte dann die Waschschüssel draußen in den Rinnstein.
Als Hester zurückkam, lächelte Robb ihr zu; die hektische Röte war aus seinen Wangen gewichen. Michael hingegen wirkte immer noch argwöhnisch, aber weniger kampflustig.
»Vielen Dank, Miss«, sagte Robb ein wenig ängstlich. »Tut mir wirklich Leid, dass ich Ihnen solche Unannehmlichkeiten bereitet habe.«
»Das haben Sie nicht.« Sie lächelte. »Ich hoffe immer noch, dass wir uns vielleicht ein Weilchen unterhalten können und dass Sie mir von Dingen erzählen, die ich nicht aus eigener Anschauung kenne.«
»Das werde ich«, erklärte er mit einem Wiederaufflackern seiner Lebensgeister.
»Ein anderes Mal«, fiel Michael ihm ins Wort. »Du bist müde …«
»Mir geht es gut«, beteuerte Robb. »Mach dir mal keine Sorgen, Michael. Ich habe dir doch gesagt, diese Dame ist eine von den Krimschwestern, also wird sie wohl wissen, wie man mit Kranken umgeht. Du geh mal wieder auf dein Revier, Junge. Da warten wichtige Dinge auf dich.«
Michael zögerte. Er sah Hester an, runzelte ein wenig die Stirn und presste die Lippen zusammen.
»Ich weiß Ihre Freundlichkeit zu schätzen, Mrs. Monk.« Er geriet ins Stocken, und der innere Konflikt kam deutlich in seiner Miene zum Ausdruck. »Und ich bin davon überzeugt, dass mein Großvater Ihre Gesellschaft genießen wird.«
»Und ich seine«, erwiderte Hester. »Ich freue mich schon darauf, ihn zu besuchen, wann immer ich kann. Ich arbeite in dem Krankenhaus hier in der Nähe. Es ist ein Katzensprung für mich.«
»Vielen Dank.« Er musste spüren, was für eine Erleichterung es für den alten Mann bedeutete, wenn er auf Gesellschaft und Hilfe bauen konnte, ohne befürchten zu müssen, Michael von der Arbeit abzuhalten. Aber unter der Dankbarkeit blieb trotz allem ein gewisser Ärger zurück.
»Es macht mir überhaupt keine Mühe«, wiederholte Hester. Michael ging zur Tür und bedeutete ihr, ihn zu begleiten.
»Auf Wiedersehen, Großpapa«, sagte er sanft. »Ich versuche nicht allzu spät nach Hause zu kommen.«
»Mach dir keine Gedanken«, beruhigte Robb ihn noch einmal.
»Ich komme schon klar.« Es waren tapfere Worte, auch wenn sie nichts mit der Realität zu tun hatten.
An der Tür angekommen, senkte Michael die Stimme und sah Hester durchdringend an.
»Sie sind eine gute Krankenschwester, Mrs. Monk, und ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich um ihn kümmern, besser, als ich es kann. Und Sie haben ihm nicht das Gefühl gegeben, ein Almosenempfänger zu sein. Sie haben ein Geschick für so etwas. Das kommt bestimmt daher, dass Sie im Krieg waren.«
»Es kommt daher, dass ich ihn mag«, erwiderte sie wahrheitsgemäß.
Sein Blick verriet nicht, ob er ihren Worten Glauben schenkte.
»Aber bilden Sie sich nicht ein, irgendetwas, das Sie hier tun, würde einen Einfluss auf meine Entscheidungen haben, denn das wäre ein Irrtum«, fuhr er gelassen fort. »Ich werde nicht aufhören, nach Miriam Gardiner zu suchen. Und wenn ich sie finde, wovon ich überzeugt bin, und sich herausstellt, dass sie die Mörderin von James Treadwell ist, werde ich sie hinter Schloss und Riegel bringen, ganz gleich, was Sie für meinen Großvater tun.« Seine Stimme wurde heiser. »Und es wird keine Rolle spielen, wenn Sie mich bei meinen Vorgesetzten hinhängen.« Er errötete leicht. »Und wenn Sie das als Beleidigung auffassen, tut es mir Leid.«
»Ich bin daran gewöhnt beleidigt zu werden, Sergeant Robb«, erwiderte sie, selbst überrascht darüber, wie sehr sie seine Worte schmerzten. »Aber ich gebe zu, das ist eine vollkommen neue Art, mir zu sagen, dass meine Arbeit wertlos ist, inkompetent oder ganz allgemein moralisch fragwürdig.«
»Ich meinte nicht…«, begann er, brach aber sogleich wieder ab. Eine heiße Röte überzog jetzt seine Wangen.
»O doch, genau das meinten Sie«, widersprach sie ihm, um das Beste aus seiner Verlegenheit zu machen. »Aber ich verstehe Sie. Sie müssen sich sehr angreifbar fühlen, wenn Sie jeden Tag Ihren Posten verlassen, um Ihren Großvater zu versorgen. Ich schwöre Ihnen, dass ich für meinen Besuch hier kein anderes
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