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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Menschen denken, man sollte besser alles vergessen… es wäre einfacher. Aber das stimmt nicht…«
    Er sah sie mit großen Augen an. »Hm, also… Sie waren wirklich auf der Krim? Und das, wo Sie so ein mageres Ding sind!« Er betrachtete ihren schlanken Körper und die knochigen Schultern, aber in seinem Blick lag nicht Missbilligung, sondern Bewunderung. »Auf See haben wir festgestellt, dass die Dünnen, Drahtigen besser durchhielten als die Großen, Kräftigen. Ich schätze, wenn es hart auf hart geht, ist Stärke einzig und allein eine Frage der Einstellung.«
    »Ja, das stimmt«, pflichtete sie ihm bei. »Möchten Sie jetzt vielleicht etwas Heißes zu trinken? Ich könnte Ihnen einen Tee zubereiten, wenn Sie wollen. Er würde Ihrer Brust vielleicht gut tun.« Dann fügte sie, damit sie nicht so herablassend klang, hinzu: »Ich würde mich sehr gern mit Ihnen unterhalten, und das dürfte schwierig sein, wenn Sie wieder anfangen zu husten.«
    Er verstand sehr gut, was sie vorhatte, aber sie hatte dennoch die richtige Taktik gewählt. »Sie sind eine ganz Schlaue, hm?«, bemerkte er mit einem Lächeln und zeigte dann auf den Herd.
    »Der Kessel steht da drüben, und Tee ist in der Dose. In der Vorratskammer finden Sie vielleicht noch einen Tropfen Milch. Könnte aber sein, dass sie uns ausgegangen ist. Michael wird heute Abend sicher welche mitbringen. «
    »Das macht nichts«, antwortete sie und erhob sich. »Wenn der Tee nicht zu stark ist, kann man ihn auch gut ohne Milch trinken.«
    Sie spülte gerade die Kanne aus, um den Tee zuzubereiten, als die Tür geöffnet wurde. Sie drehte sich um und sah einen jungen Mann vor sich. Er war von durchschnittlicher Größe, schlank und hatte sehr schöne, dunkle Augen. Er starrte sie wütend an.
    »Wer sind Sie?«, fragte er und trat einen Schritt näher. »Und was machen Sie hier?« Er ließ die Tür hinter sich offen, als wolle er sie so schnell wie möglich loswerden.
    »Hester Monk«, antwortete sie und sah ihm direkt in die Augen. »Ich habe Mr. Robb einen Besuch abgestattet. Wir haben viele Gemeinsamkeiten, und er war so freundlich, mir zuzuhören. Er hat mir erlaubt, eine Tasse Tee für ihn zu machen, damit ihm das Sprechen leichter fällt.«
    Der junge Mann sah sie ungläubig an. Seinem Blick zufolge hätte man denken können, er glaube, sie sei gekommen, um die mageren Vorräte auf dem Regal hinter ihr zu stehlen.
    »Was um alles in der Welt könnten Sie mit meinem Großvater gemeinsam haben?«, fragte er grimmig.
    »Es ist schon gut, Michael«, schaltete der alte Mann sich ein.
    »Ich würde gern sehen, wie sie es mit dir aufnimmt. Ich schätze , sie steckt dich, was das Reden anbelangt, im Handumdrehen in die Tasche. Sie ist eine Krimschwester, jawohl! Sie hat mehr Schlachten erlebt als du – genau wie ich. Sie führt nichts Böses im Schilde.«
    Michael sah den alten Mann unsicher an, dann wandte er sich wieder Hester zu. Sie verstand seinen Wunsch, seinen Großvater zu schützen. Und sie war fraglos ein Eindringling. Aber dennoch sollte der alte Robb nicht behandelt werden, als sei er ein Kind, auch wenn er in körperlicher Hinsicht auf Hilfe angewiesen war. Obwohl ihr die Worte bereits auf der Zunge lagen, hielt sie sich zurück, um den alten Mann diese Sache allein austragen zu lassen.
    Der alte Robb sah Hester mit funkelndem Blick an. »Sie haben doch bestimmt nichts dagegen, Miss, noch eine Tasse auf den Tisch zu stellen, oder?«
    »Natürlich nicht«, antwortete Hester und nahm dann die letzte Tasse von ihrem Haken an dem Regal, das als Küchenschrank diente. Sie spülte, wie sie es vorgehabt hatte, die Kanne aus, gab eine Portion Teeblätter hinein und goss anschließend das kochende Wasser darüber. Dabei wandte sie Michael den Rücken zu. Schließlich hörte sie, wie die Tür geschlossen wurde und er durch den Raum ging.
    Als er hinter ihr stand, war seine Stimme sehr leise. »Hat Monk Sie hierher geschickt?«
    »Nein.« Sie wollte gerade hinzufügen, dass Monk sie nirgendwo »hinschickte«, aber als sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass das nicht stimmte. Er hatte sie häufig ausgeschickt, um das eine oder andere in Erfahrung zu bringen.
    »So weit ich weiß, hat er keine Ahnung, dass ich hier bin. Er hat mir von Mr. Robb erzählt, und ich hatte den Wunsch, ihn zu besuchen. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Sergeant Robb, ebenso wenig wie ich Ihrem Großvater etwas Böses will. Und ich interessiere mich auch nicht für Ihre Arbeit, was

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