In feinen Kreisen
zornigem Blick zu Hester um.
»Ich habe den schönsten Nachmittag seit Jahren gehabt«, sagte Robb leise und sah zu seinem Enkelsohn auf. »Sie ist eine gute Zuhörerin. Wir haben über alle möglichen Dinge gesprochen. Ich habe das Gefühl, tiefen Frieden gefunden zu haben. Komm, setz dich und trink eine Tasse Tee. Du siehst aus, als täten dir die Füße weh, Junge, und du bist todmüde.«
Michael zögerte, und seine Verwirrung stand ihm im Gesicht geschrieben. Er blickte von einem zum anderen, bis er endlich begriff, dass sein Großvater ihm die Wahrheit sagte. Ein Lächeln der Erleichterung huschte über sein Gesicht, und einen Augenblick lang schimmerte der junge Mann hindurch, der er gern gewesen wäre.
»Ja«, stimmte er froh zu. »Ja, das wäre schön.« Er drehte sich zu Hester um. »Ich danke Ihnen, Mrs. Monk.« Dann wurden seine Augen plötzlich dunkler. »Es tut mir Leid… Ich habe Miriam Gardiner gefunden.«
Hester fröstelte.
»Ich musste sie wegen des Mordes an Treadwell verhaften«, fuhr er fort und ließ sie nicht aus den Augen.
»Warum?«, protestierte sie. »Warum um alles in der Welt sollte Miriam Gardiner den Kutscher ermorden? Wenn sie Lucius Stourbridge verlassen wollte, aus welchem Grund auch immer, brauchte sie Treadwell doch nur zu befehlen, sie irgendwo abzusetzen. Er hätte nie gewusst, wohin sie von dort aus gehen würde!« Sie holte tief Luft. »Und wenn sie sich in die Gegend hat bringen lassen, wo ihr Haus steht: Darüber wusste Lucius ohnehin besser Bescheid als Treadwell.«
Michael sah aus, als mache ihm die Antwort kein Vergnügen. Er hätte wahrscheinlich gern seine Stiefel ausgezogen, aber ihre Anwesenheit hinderte ihn daran. »Der nahe liegendste Grund wäre, dass Treadwell etwas gewusst haben könnte, das ihre Aussicht auf eine Einheirat in die Familie Stourbridge zunichte gemacht hätte«, antwortete er. »Ich vermute, sie liebte den jungen Mr. Stourbridge wirklich, aber ob sie das nun tat oder nicht, es stand eine Menge Geld auf dem Spiel, mehr als sie in ihrem ganzen Leben gesehen haben dürfte.«
Hester wollte einwenden, dass Miriam sich nichts aus Geld machte, aber sie wusste nicht, ob das der Wahrheit entsprach. Sie kannte diese Frau nur aus Erzählungen.
Sie ging zum Herd und füllte den Kessel aus dem inzwischen fast leeren Krug nach und stellte ihn wieder aufs Feuer.
»Es tut mir Leid«, sagte Michael müde und ließ sich in den Sessel sinken. »Es ist zu nahe liegend, um es zu ignorieren. Die beiden sind zusammen von den Stourbridges weggefahren. Sie sind bis nach Hampstead Heath gekommen. Seine Leiche wurde gefunden, und sie lief weg. Ein unschuldiger Mensch wäre doch sicher am Tatort geblieben oder wäre zumindest zurückgekommen, um zu melden, was geschehen war.«
Sie dachte nach. »Was wäre, wenn sie beide von einer dritten Person bedroht wurden und Miriam Gardiner zu eingeschüchtert war, um jemandem mitzuteilen, was passiert war?«
Er sah sie zweifelnd an. »So eingeschüchtert, dass sie selbst nach ihrer Verhaftung nichts sagt?« Seine Stimme verriet nur allzu deutlich, was er von dieser Theorie hielt.
»Kennen Sie diese Miriam Gardiner, Mädchen?«, fragte Mr. Robb bekümmert.
»Nein… nein, ich bin ihr nie begegnet.« Es überraschte sie, dass das der Wahrheit entsprach, da sie solchen Anteil an Mrs. Gardiners Schicksal nahm. Es war unvernünftig. »Ich… ich weiß nur wenig von ihr… Wahrscheinlich habe ich mich an ihre Stelle versetzt… ein wenig.«
»An ihre Stelle?«, wiederholte Michael. »Was könnte Sie dazu bringen, einen Mann allein zu lassen, der niedergeschlagen wurde und im Sterben liegt? Wegzulaufen und sich zu verstecken, bis die Polizei Sie aufspürt? Was würde Sie dazu bringen, selbst dann keine Erklärung abzugeben, wenn man Sie bereits für den Mord festgenommen hat?«
»Ich weiß es nicht«, gab sie widerstrebend zu. »Ich… mir fällt kein Grund ein… aber das heißt nicht, dass es keinen gibt.«
»Sie schützt jemanden«, bemerkte der alte Mann mit einem Kopfschütteln. »Frauen tun alle möglichen Dinge, um jemanden zu schützen, den sie lieben. Ich wette mit Ihnen, Mädchen, wenn sie ihn nicht selbst getötet hat, weiß sie, wer es war.«
Michael sah Hester von der Seite an. »Möglich, dass sie eine Affäre mit Treadwell hatte«, sagte er und spitzte die Lippen.
»Möglich, dass er mit Gewalt versuchte, die Sache aufrechtzuerhalten, während sie ihr wegen Stourbridge ein Ende machen wollte.«
Hester erhob
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