In feinen Kreisen
schätze, so etwas hat es nie zuvor gegeben und wird es auch nie wieder geben.«
Sie brühte den Tee auf.
»Auf welchem Schiff waren Sie denn?«
»Na, auf der Victory natürlich.« Der Stolz in seiner Stimme war unüberhörbar. Sie konnte einen Augenblick lang den jungen Mann sehen, der er damals gewesen war, als England sich durch Napoleons Armee bedrängt sah und nichts zwischen ihnen und der Eroberung ihres Landes stand, als die britische Flotte mit Horatio Nelson an der Spitze und den tapferen Männern, die mit ihm segelten. Sie spürte, wie etwas von dem Stolz sich auch in ihr regte.
Sie brachte ihm den Tee. Er nahm ihn entgegen und sah Hester über den Rand der Tasse hinweg an.
»Ich war dabei«, sagte er leise. »Ich erinnere mich noch an diesen Morgen, als wäre es erst gestern gewesen. Das erste Signal kam gegen sechs. Es war der neunzehnte Oktober. Der Feind hatte alle Segel gehisst. Zumindest hat man uns das später so erzählt. Dann kamen sie aus dem Hafen. Es war halb neun und überm Meer schon heller Tag, als wir es auf der Victory hörten.« Er schüttelte den Kopf. »Den ganzen Tag lang kreuzten wir Richtung Gibraltar, ohne es zu erblicken. Die Sicht war schlecht. Das Wetter trübte von Stunde zu Stunde mehr ein. Wir fuhren mit gerafften Toppsegeln, und wir waren zu dicht an Cadiz.«
Hester nickte, nippte an ihrem Tee und schwieg.
»Der Admiral gab das Signal zu halsen und auf Kurs Nordwest zu gehen, zurück in unsere ursprüngliche Position. Das war am nächsten Tag, verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe. Ich weiß, dass die Schlacht am Einundzwanzigsten war.«
Er nickte anerkennend. »Bei Sonnenaufgang des Einundzwanzigsten hatte der Admiral, was er wollte. Wir waren einundzwanzig Meilen Nord zu West vor Cap Trafalgar, in Luv des Feindes.« Seine Augen strahlten und waren leuchtend blau wie das Meer an jenem Tag. »Ich kann das Salz in der Luft riechen«, sagte er leise und kniff die Augen zusammen, als blendete ihn der grelle Schein der Sonne auf dem Wasser. »Er befahl, unter vollen Segeln zwei Linien zu bilden.«
Sie erwiderte nichts.
Er lächelte. Der Tee war vergessen. »Ich habe eine Kerbe in meine Kanone geritzt, wie der Mann neben mir auch. Er war Ire, das weiß ich noch. Der Admiral machte die Runde und sprach mit jedem Einzelnen von uns. Er fragte, was wir da täten. Der Ire sagte, wir ritzten eine Kerbe ein für einen weiteren Sieg, nur für den Fall, dass wir in der Schlacht fielen und nachher nicht mehr dazu kämen. Nelson lachte und sagte, dass er Kerben genug in den Schiffen des Feindes hinterlassen werde.
Gegen elf Uhr morgens ging der Admiral nach unten, um zu beten und in sein Tagebuch zu schreiben, wie wir später erfuhren. Dann kam er herauf, um bei uns anderen zu sein und die Signalflagge hissen zu lassen.« Er lächelte und schüttelte den Kopf, als beschäftige ihn ein bestimmter Gedanke. »Zuerst wollte er durchgeben: ›Nelson vertraut darauf‹, aber Lieutenant Pascoe erklärte ihm, dass ›erwartet‹ im Popham-Code enthalten sei, so dass er dieses Wort nicht Buchstabe für Buchstabe durchgeben müsse. So ließ er also signalisieren. »England erwartet, dass jeder seine Pflicht tun wird.«« Er zuckte kaum merklich mit den Schultern und sah sie an, wie um sich zu vergewissern, dass sie wusste, dass diese Worte unsterblich geworden waren. Er sah es in ihrem Gesicht und war es zufrieden.
»Ich weiß im Grunde gar nicht, was sich leewärts abgespielt hat«, fuhr er fort. Er sah sie immer noch an, aber sein Blick wirkte abwesend, war weit fort und das Bild, das sich ihm bot, war voller großer Schiffe, deren Segel sich blähten und die darauf warteten, das Feuer auf den Feind zu eröffnen, und voller Männer, die schweigend und angespannt an ihren Geschützen standen.
»Sie können sich den Lärm nicht vorstellen«, sagte er so leise, dass es nur noch ein Flüstern war. »Daneben sind diese Eisenbahnmaschinen, die es heute gibt, gar nichts. Ich war damals Kanonier, und zwar ein guter. Niemand weiß, wie viele Breitseiten wir an diesem Tag abgefeuert haben. Es war halb zwei, als der Admiral getroffen wurde. Er schritt gerade das Achterdeck ab. Zusammen mit Kapitän -- Kapitän Hardy.« Er verzog das Gesicht. »Es gibt immer noch ein paar Idioten, die sagen, er sei mit der Brust voller Medaillen auf und ab paradiert. Die waren nie bei einer Seeschlacht dabei! Außerdem war er auf See nie so gekleidet! Richtig schäbig sah er aus; er trug eine gewöhnliche blaue Jacke
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