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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hinzu.
    »Nein… das dachte ich mir«, gab er mit dem Anflug eines Lächelns zu. »Aber Sie können mir vielleicht weiterhelfen, was die Frage betrifft, welche Medikamente verschwunden sind und in welcher Menge.«
    Sie zögerte.
    »Es wäre Ihnen doch gewiss nicht angenehm, wenn ich jemand anderen danach frage?«, sagte er ohne mit der Wimper zu zucken.
    Sie wusste, dass es eine Drohung war. Er würde seine Worte wahr machen, ganz gleich, wie sehr es ihm widerstrebte.
    »Ja«, kapitulierte sie. »Kommen Sie mit, dann gebe ich Ihnen eine Liste. Es beruht natürlich alles auf Vermutungen!«
    »Selbstverständlich«, erwiderte er.
    Monk beschäftigte sich bis zum Abend und während des größten Teils des nächsten Tages zuerst mit Callandras Medikamentenlisten, dann versuchte er herauszufinden, wen Cleo Andersen besucht hatte und unter welchen Krankheiten ihre Patienten litten. Er brauchte den Kranken und Armen nicht viele Fragen zu stellen. Sie sprachen nur allzu bereitwillig von einer Frau, die viel Zeit und Geduld aufwendete, um sich um sie zu kümmern, und die ihnen so oft Medikamente brachte, die der Arzt ihr mitgegeben habe. Niemand stellte deswegen Fragen, niemand hatte Zweifel daran, woher sie das Chinin nahm, das Morphium und all die anderen Pulver und Infusionen. Die Leute waren einfach dankbar.
    Je mehr er erfuhr, desto mehr war es Monk verhasst, was er da tat. Wieder und wieder schob er es hinaus, die alles entscheidende Frage zu stellen, die ihm einen Beweis geliefert hätte. Er schrieb nichts auf. Er kümmerte sich nicht um einen Zeugen für seine Gespräche und nahm keine Beweisstücke mit.
    Am Nachmittag des zweiten Tages wandte er seine Aufmerksamkeit Cleo Anderson selbst zu, ihrem Haus, ihren Ausgaben, der Frage, was sie einkaufte und wo. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass sie irgendeinen Lohn für ihre Arbeit oder die Medikamente verlangte. Dennoch erstaunte es ihn, wie überaus bescheiden ihr Leben war, viel bescheidener, als er es bei einer Krankenschwester mit ihrem Lohn erwartet hätte. Sie trug offensichtlich nur abgelegte Kleider, die ihr dankbare Verwandte einer Patientin schenkten, die gestorben war. Ihre Ernährung bestand aus den einfachsten Dingen, und auch hier wurde sie oft in den Häusern derer versorgt, die sie pflegte: Brot, Hafermehlbrei, ein wenig Käse und Eingemachtes. Es schien, als esse sie häufig im Krankenhaus und sei dankbar dafür.
    Das Haus war ihr Eigentum, eine Hinterlassenschaft aus besseren Zeiten, aber es war im Lauf der Jahre baufällig geworden und brauchte dringend ein neues Dach.
    Niemand hatte je gesehen, dass sie trank oder um Geld spielte.
    Also, wo blieb das Geld?
    Monk hatte keinen Zweifel daran, dass es in den Taschen von James Treadwell gelandet war, zumindest zu dessen Lebzeiten. Seit seinem Tod vor zwei Wochen hatte Cleo Anderson einen Küchentisch aus zweiter Hand erworben, einen neuen Krug, eine Schüssel und zwei Handtücher, alles Dinge, die sie sich seit Jahren nicht mehr geleistet hatte, wie ihre Nachbarn zu berichten wussten.
    Monk fand sich kurz vor halb fünf vor ihrem Haus ein, als er Michael Robb auf sich zukommen sah. Der Sergeant ging sehr langsam, als sei er müde, und seine Füße schienen zu schmerzen. Er war erhitzt und sah niedergeschlagen aus. Er blieb vor Monk stehen. »Hätten Sie es mir gesagt?«, fragte er.
    Es war nicht notwendig, etwas zu erklären. Monk wusste nicht, ob er es getan hätte oder nicht, aber er war sich, wie sehr es ihm auch missfiel, ganz sicher, dass Robb Bescheid wusste.
    »Ich kann nichts beweisen«, antwortete er. Das war für einen Mann wie ihn eine ungewöhnlich vage Bemerkung. Im Allgemeinen stellte er sich der Wahrheit, wie bitter sie auch sein mochte. Dies schmerzte ihn mehr, als er selbst erwartet hatte.
    »Aber ich habe Beweise«, entgegnete Robb müde. »Genug, um sie zu verhaften. Bitte, stehen Sie mir nicht im Weg. Zumindest können wir Miriam Gardiner entlassen. Sie können Mr. Stourbridge darüber in Kenntnis setzen. Er wird erleichtert sein… nicht dass er je an ihre Schuld geglaubt hätte.«
    »Ja…« Monk wusste, dass Lucius glücklich sein würde, aber das Glück würde nicht lange dauern, denn Miriam hatte alles getan, um Cleo Anderson nicht mit in die Sache hineinzuziehen. Ihre Trauer würde sehr tief gehen und wahrscheinlich von Dauer sein.
    Auf dem Weg zum Revier teilte Robb Monk mit, zu welchen Ergebnissen die Polizei bisher gekommen war. Man hielt Miriam für eine unentbehrliche

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