In feinen Kreisen
undeutliches Summen. Er wollte diese Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Er ging die Krankenhaustreppe hinauf und trat durch das breite Tor ein. Fast sofort wurde er von einem jungen Mann begrüßt, der eine Weste trug und sich die blutbefleckten Hemdsärmel bis über die Ellbogen hochgekrempelt hatte.
»Guten Morgen, Sir!«, sagte er beflissen. »Brauchen Sie einen Arzt oder einen Chirurgen? Was können wir für Sie tun, Sir?«
In Monk stieg Panik auf, und er konnte sich nur mit Mühe dieses Gefühls erwehren. Gott sei Dank brauchte er weder den einen noch den anderen.
»Ich erfreue mich bester Gesundheit, vielen Dank«, sagte er hastig. »Ich würde gern mit Lady Callandra Daviot sprechen, falls sie hier ist.«
»Wie bitte?« Der junge Mann sah ihn verwirrt an. Es war ihm offensichtlich nie in den Sinn gekommen, dass jemand eine Frau, irgendeine Frau, aufsuchen könnte, statt eines ausgebildeten Mediziners.
»Ich würde gern mit Lady Callandra Daviot sprechen«, wiederholte Monk sehr deutlich. »Oder wenn sie nicht hier ist, dann mit Mrs. Monk. Wo kann ich warten?« Er hasste das Krankenhaus. Die grauen Korridore rochen nach Essig und Lauge und erinnerten ihn an ein anderes Hospital, dasjenige, in dem er nach dem Unfall erwacht war, ohne seine eigene Identität zu kennen. Die Panik jener Tage war schon lange abgeklungen, ließ sich aber in seiner Phantasie nur allzu leicht wieder heraufbeschwören.
»Oh, versuchen Sie es mal in der Richtung«, erwiderte der junge Mann und deutete mit einer nachlässigen Geste dorthin, wo die Warteräume der Ärzte lagen. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und widmete sich wieder seiner Arbeit.
Monk ging in den Warteraum, wo ein halbes Dutzend Menschen saß, starr vor Angst, zu krank oder zu verängstigt, um miteinander zu plaudern. Glücklicherweise tauchte Callandra schon nach wenigen Augenblicken auf.
»William! Was tun Sie denn hier? Ich nehme an, Sie wollen Hester sprechen? Ich fürchte, sie ist nicht da.« Sie zögerte. »Sie besucht einen Patienten.«
»Alt und krank, nehme ich an, und arm«, erwiderte er trocken. Sie kannte ihn zu gut, um die tiefere Bedeutung dieser Werte zu überhören. »Was ist passiert, William?«, fragte sie. Obwohl er stand und sie um etwa zwanzig Zentimeter überragte, brachte sie es dennoch fertig, ihm das Gefühl zu geben, dass er besser wahrheitsgemäß antworten sollte.
»Ich glaube, aus der Krankenhausapotheke sind in letzter Zeit gewisse Medikamente verschwunden.« Es war eine Feststellung.
»Hester hat Sie doch nicht in dieser Angelegenheit konsultiert?« Sie war erstaunt und konnte es offensichtlich nicht glauben.
»Nein, natürlich nicht. Warum? Haben Sie das Problem gelöst?«
»Ich glaube nicht, dass Sie sich darüber den Kopf zerbrechen müssen«, antwortete sie ernst. »Zumindest jetzt noch nicht.«
»Warum? Weil eine Krankenschwester die Medikamente gestohlen hat?« Die Worte klangen herausfordernd.
»Wir wissen nicht, wer es ist«, antwortete sie. »Und da Hester Sie, wie Sie mir versichert haben, nicht gebeten hat, für uns zu ermitteln, brauchen wir uns auch nicht über das Thema zu unterhalten. Sie können sich doch unmöglich dafür interessieren.«
»Da irren Sie sich. Bedauerlicherweise muss ich mich dafür interessieren.« Seine Stimme wurde leiser. »Ich wünschte, ich könnte diese Diebstähle auf sich beruhen lassen. Es geht nicht darum, dass Ihnen diese Dinge fehlen, sondern darum, dass die Betreffende möglicherweise wegen der Diebstähle erpresst wurde, obwohl ich glaube, dass sie die Arznei für den denkbar besten Zweck benutzt hat.«
»Erpressung!« Callandra sah ihn entsetzt an.
»Ja… und Mord. Es tut mir Leid.«
Sie schwieg, aber der ernste Ausdruck ihres Gesichts verriet ihre Angst, und Monk vermeinte in ihren Augen zu lesen, dass sie eine Vermutung hatte. Sie ahnte bereits, was hinter den Diebstählen lag, hinter dem ständigen Verschwinden von Medikamenten im Laufe von Monaten, ja vielleicht Jahren. Es war geschehen, um Menschen zu helfen, von deren Not sie selbst, Callandra Daviot, überzeugt war.
»Wissen Sie, wer für die Diebstähle verantwortlich ist?«, fragte er.
Sie sah ihm in die Augen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete sie.
Sie wussten beide, dass es eine Lüge war und dass Callandra nichts mehr zu diesem Thema sagen würde. Er erwartete es im Grunde auch nicht von ihr.
»Und Hester weiß auch nichts!«, fügte sie entschieden
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