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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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Leichen schwerfällig auf ihn zu und zielte mit einem grünen Entermesser auf seinen Kopf – Shandy parierte mit dem Säbel und fing den Hieb ab, aber die Wucht des Angriffs schlug ihm den Säbel aus der Hand. Er rutschte klappernd außer Reichweite. Das tote Ding, zu nah, um vor ihm davonzulaufen, holte zum tödlichen Schlag aus, und Shandy hatte keine andere Wahl, als den Angriff zu unterlaufen und mit der Kreatur zu ringen.
    Der Körper des Leichnams roch wie fauliger Fisch und fühlte sich an wie Ketten und Gallerte in einem nassen Ledersack, und Shandy musste sich tatsächlich anstrengen, um angesichts des Grauens, mit dem ihn die Nähe dieser Kreatur erfüllte, nicht ohnmächtig zu werden. Das Geschöpf zischte, schlug um sich und drosch Shandy den Knauf seines Entermessers auf den Rücken, aber dieser schaffte es, zur Steuerbordreling zu humpeln und den toten Seemann hinüberzurollen. Die grauen Hände klammerten sich an das Revers von Shandys Jacke, und mehrere Sekunden lang beugte Shandy sich über die Reling und starrte dem über Bord hängenden Toten in die geronnenen Augen; dann löste sich zuerst ein Ellbogen und einen Moment später der andere in den Ärmeln des Dings, und der Körper klatschte ins Meer; seine Hände und Unterarme krallten sich nach wie vor in Shandys Revers.
    Er wandte sich wieder dem Deck zu und hielt Ausschau nach seinem verlorenen Schwert, aber seine Aufmerksamkeit wurde rasch von Leo Friend in Anspruch genommen. Der fette junge Magier hatte sich vom Poopdeck in die Luft gehoben, und Flammen züngelten leuchtend um ihn herum, obwohl sein Haar und seine Kleidung bisher unversengt geblieben waren. Shandy schaute über den Steuerbordbug zu Hurwood hinüber – auch ihn umloderten Flammen, wenn auch nicht so viele – und begriff, dass er Zeuge eines Duells auf Leben und Tod zwischen zwei ungemein mächtigen Zauberern wurde.
    » Hinter dir, Jack!«, kam ein Schrei von Davies, und Shandy sprang vor, dass die grauen Arme an seiner Jacke wild hin und her schwangen – nur einen Sekundenbruchteil, bevor ein Entermesser durch die Luft sauste, wo zuvor sein Kopf gewesen war. Sein Sprung brachte ihn in gefährliche Nähe eines anderen Besatzungsmitglieds der Charlotte Bailey, eines Mannes, der ausdruckslos einen gummiartigen Arm zu einem Schwerthieb anwinkelte. Aber bevor er etwas ausrichten konnte, sprang ihm der Kopf von den Schultern, als Davies’ Klinge ihm den Hals durchtrennte.
    » Halt die Augen offen!«, blaffte Davies und beförderte die Waffe des zum zweiten Mal getöteten Mannes mit einem Tritt zu Shandy. » Hab ich dir das nicht gesagt?«
    » Doch, Phil«, stieß Shandy hervor und bückte sich, um das entmutigend schwere Entermesser aufzuheben.
    Da in ihrer Nähe keine Matrosen der Charlotte Bailey mehr übrig waren, nahm Davies sein Schwert in die linke Hand und krümmte und streckte dann die freie rechte; Shandy sah, wie die Augen des Piraten dabei schmal wurden, und ihm fiel wieder ein, dass Davies sich die Hand ja im Dschungel irgendwie verbrannt hatte.
    » Ist deine Hand …«, begann er, schrie dann: » Selber Augen auf!«, und sprang an Davies vorbei, um eine feindliche Klinge wegzuschlagen und das an eine Qualle erinnernde Gesicht des Angreifers zu spalten. » Kannst du die Hand benutzen?«
    » Ich habe keine Wahl«, antwortete Davies gepresst, nahm das Schwert wieder in seine Rechte und ließ den Blick über das mit Körpern übersäte Deck schweifen. » Hör zu, wir müssen dafür sorgen, dass Friend diesen Kampf verliert; versuch …«
    Von hinten kam ein Kreischen überspannten Holzes, gefolgt von einem lauten Krachen und Bersten, und als Shandy nach achtern schaute, sah er, dass Friend die Hand gesenkt hatte. Und obwohl Friend ein paar Dutzend Fuß über dem Deck schwebte und seine pummelige Hand kaum unter seinen Gürtel reichte, waren ein guter Teil des Poopdecks und die Frontseite der Kajüte abgerissen worden. Die zerfetzten Balken und Planken hingen für einen Moment in der Luft, dann wurden sie achtlos auf das Hauptdeck geschleudert. Shandy hörte inmitten des Geklappers und Dröhnens ihres Aufpralls dort Schreie und wusste, dass die herabstürzenden Holztrümmer einige Männer von der Jenny getroffen haben mussten.
    Dann hob Friend die hohle Hand und aus der jetzt ihres Daches und der Vorderwand beraubten Kajüte kam Beth Hurwood ins Sonnenlicht geschwebt. Sie kämpfte gegen etwas Unsichtbares, das ihr die Arme an die Seiten drückte.

Kapitel 18
    Oh Gott,

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